Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0283
Die psychiatrische Abteilung des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses in Sigmaringen im »Dritten Reich«

listen gestrichen beziehungsweise, was seltener vorkam, durch persönliche Vorsprache beim
»Euthanasie«-Beauftragten im Württembergischen Ministerium des Innern zurückgestellt.

Wie in vielen anderen Arbeiten über Hohenzollern ergibt sich auch hier eine verwaltungstechnische
Besonderheit. Durch unklar voneinander abgegrenzte Kompetenzen zwischen dem
Regierungspräsidenten in Sigmaringen, dem Reichsminister des Innern und dem württembergischen
Innenministerium wurden die Patienten relativ spät für den süddeutschen Raum
von der Tötung betroffen.

Nach Abbruch der »Aktion T 4« blieben die Patienten aus den Hohenzollerischen Landen
in der Nervenabteilung Sigmaringen von den in anderer Form fortgesetzten Einzeltötungen
und Tötungsaktionen bedroht, wenngleich nicht mehr betroffen. Die Aufnahmezahlen sanken
zur gleichen Zeit nicht in dem Maße, wie es angesichts der Bedrohung zu erwarten gewesen
wäre. Ende des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren starben auch Sigmaringer
Patienten an Hunger oder hungerbedingten Infektionskrankheiten. Es kam jedoch nicht, wie
andernorts, zu einer Hungerkatastrophe.

Bemerkenswert erscheint abschließend noch, daß die psychiatrische Abteilung des Fürst-
Carl-Landeskrankenhauses, im Gegensatz zu anderen Anstalten, in ihrer Funktion erhalten
blieb; ausgerechnet diese Anstalt, die schon zeitgenössischen Fachleuten angesichts ihrer
erheblichen Mängel in allen Bereichen in der bestehenden Form nicht erhaltenswert schien. Sie
hätte gerade für eine Pflege- sprich »Verwahr«-Anstalt getaugt.

Daß die bloße Verwahrung psychisch erkrankter Menschen vom Denkansatz der dafür
Verantwortlichen und der Realität für die Betroffenen den nationalsozialistischen Mißhandlungen
und Tötungen näher steht als eine aktive und offene Behandlung, soll als These den
Aufsatz beschließen.

10. WAS GESCHAH MIT DEN VERANTWORTLICHEN?

Die im württembergischen Innenministerium auch für die Durchführung der »Euthanasie«
in Hohenzollern zuständigen Arzte Dr. Stähle und Dr. Mauthe wurden nach Kriegsende
inhaftiert. Noch bevor es zum Prozeß kam, starb der Hauptangeklagte Dr. Stähle am
13.11.1948. Dr. Mauthe wurde im sogenannten »Grafeneck-Prozeß« mit Urteil vom
5.7.1949 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dabei wurde ihm ein Jahr Untersuchungshaft
angerechnet und der Rest zur Bewährung ausgesetzt, so daß er das Justizgebäude als freier
Mann verlassen konnte. Das Gericht kam zur Auffassung, es sei Mauthe nicht zu widerlegen,
daß er ein Gegner des Nationalsozialismus und auch der Tötungsaktion gewesen ist und er nur
aus Schwäche mitgemacht hat. Derartig milde Urteile wurden im Nachkriegsdeutschland
gegenüber den an den »Euthanasie«-Aktionen Beteiligten häufig gefällt, wenn es überhaupt zu
einer Verhandlung kam. Rückblickend befriedigen viele Voruntersuchungen zu solchen
Prozessen eher die Historiker, die dadurch über ein reiches Quellenmaterial verfügen, als die
von den Aktionen Bedrohten und Betroffenen, denen die Anerkennung als Opfer und die
Bestrafung der Täter versagt blieb.

Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu den Krankentötungen wurden in
Sigmaringen vor allem Landesdirektor Maier, Dr. Berger, Dr. End und Dr. Hüetlin mehrfach
verhört. Der stellvertretende Regierungspräsident von Reden war, wie Dr. Stähle, in der
Untersuchungshaft verstorben. Gegen keinen der Genannten wurde Anklage erhoben. Maier
war schon seit 1943 nicht mehr als Kreisleiter und Landesdirektor in Sigmaringen tätig. Er
wurde nach dem Kriege im Lager Balingen interniert und kehrte anschließend auf den
elterlichen Bauernhof bei Hechingen zurück. Dr. Berger ging nach Kriegsende nach Düsseldorf
und war als Regierungs- und Medizinalrat bei der dortigen Regierung tätig.

Die Krankenhausärzte Dr. End und Dr. Hüetlin mußten sich bis in die 50er Jahre hinein
gegen die Anzeigen besonders eines ehemaligen Patienten zur Wehr setzen. Schon am

281


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0283