Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 27
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0041
Politische Identitätsbildung im Lande Württemberg-Hohenzollern

- die Vorherrschaft der Landwirtschaft, verstärkt durch einen hohen Anteil von Kleinbauern
und Nebenerwerbslandwirten - gerade für die Mentalität der Bevölkerung ein kaum zu
überschätzender Faktor;

- das Fehlen von Großindustrie und die aus dem Handwerk heraus erwachsenen meist mittelständischen
Industriebetriebe.

Alles dies zusammen begünstigt eine »konservativ-klerikale Grundeinstellung weiter Teile der
Bevölkerung«", ein besonderes Sozialklima der Kooperationsbereitschaft und Kompromißsuche
und eine spezifische »politische Kultur Württemberg-Hohenzollerns«12.

Dies soll heißen: trotz willkürliche Grenzziehung ergibt sich ein erstaunliches Potential
von Identitätschancen. Dies ist auch in dem Sinne zu verstehen, daß es einen identitätsstiften-
den Gegensatz zwischen dem industriell-protestantischen Nordwürttemberg und dem agrarisch
-katholischen Oberschwaben gibt, der nun im neu gebildeten Land Württemberg-Hohenzollern
ein geeignetes staatliches Gehäuse vorfindet. Nimmt man dies alles zusammen,
dann spricht vieles dafür, daß bei vielen in Württemberg-Hohenzollern Lebenden nach 1945
eine auch »mentale Grenze« gegenüber Nordwürttemberg entsteht13. Vergleicht man damit
die Geschichte der Bildung des Landes Rheinland-Pfalz, so fällt auf, daß auch hier relativ homogene
sozioökonomische Strukturen in recht kurzer Zeit die hier noch viel stärkeren divergierenden
Kräfte verschiedener Territorien und Teilzentren offensichtlich auffangen. Die
Chancen zur Identitätsbildung sind in Württemberg-Hohenzollern eindeutig besser zu nennen
als in Rheinland-Pfalz. Eberhard Konstanzer schreibt als Zusammenfassung seiner Ergebnisse
: »Während die übrigen deutschen Länder der Nachkriegszeit, die ebenfalls zum Großteil
ihre Existenz dem Befehl der Besatzungsmächte verdankten, zäh und verbissen ihre Territorien
und ihre Staatlichkeit verteidigten, beschied sich Württemberg-Hohenzollern als
Transitorium«14. Diese postulierte Ausnahmestellung Württemberg-Hohenzollerns wirkt
nicht gerade plausibel. Warum soll denn - so muß doch mit aller Entschiedenheit gefragt werden
- in allen nach 1945 neu zugeschnittenen Bundesländern ein Staatsbewußtsein und eine
Landesidentität zum Teil unerwartet rasch entstanden sein, nur nicht in Württemberg-Hohenzollern
, das, wie gesagt, im Vergleich zu anderen Bundesländern eher bessere Voraussetzungen
für eine solche Entwicklung bietet?

1.5. Carlo Schmid: Erste Schritte zur Identitätsbildung »von oben«

Otto Borst unterscheidet zwischen »Identitätsbewußtsein« und »Landesbewußtsein« der
Bevölkerung einerseits und staatlicher »Integrationspolitik« andererseits. Zunächst soll hier
die Identitätsbildung »von oben« gezeigt werden, um dann in einem zweiten Schritt die
Verzahnung von Identitätsbildung von oben mit dem »Identitätsverlangen« von unten zu
demonstrieren.

Die Geschichte des Landes Württemberg-Hohenzollern kennt zwei gänzlich verschiedene
Typen von Identitätsbildung von oben, die in zwei Etappen einander folgen. Sie werden von
grundlegend verschiedenen politischen Ideologien und Überzeugungen, aber auch von denkbar
unterschiedlichen Politikern geprägt: Carlo Schmid und Lorenz Bock.

Carlo Schmid ist, als er im Oktober 1945 auf Betreiben der französischen Militärregierung
in Tübingen den deutschen Anteil der Regierungsgeschäfte übernimmt, ein geradezu leiden-

11 Wolfgang Hecker: Der Gewerkschaftsbund Süd-Württemberg-Hohenzollern. Zur Gewerkschaftsbewegung
in der französischen Besatzungszone 1945-1949. Marburg 1988, S. 16.

12 Stefan Zauner (wie Anm. 7), S. 67.

13 Begriff nach hans-Georg Wehling: Regionale politische Kultur in Deutschland. Eine Einführung.
In: Regionale politische Kultur. Hg. von der Landeszentrale ( H.-G. Wehling). 1985, S. 5-14, Zitat S. 11.

14 Eberhard Konstanzer (wie Anm. 2), S. 230.

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