Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 30
(PDF, 85 MB)
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Heinz Pfefferle

immer deutlicher, daß diese keineswegs gewillt ist, einen Alleingang der CDU in der Verfassungsfrage
hinzunehmen. Selbst hier verhandelt Bock offenbar mit der Parteimehrheit im
Rücken zäh und widerstrebend. Erst das vermutlich unerwartete Veto der Tübinger Militärregierung
bringt Bock dazu, in der Verfassungsfrage einzulenken.

Drei Punkte aus der Verfassungsgeschichte Württemberg-Hohenzollerns verdienen besonders
hervorgehoben zu werden:

1. Die fraglos vorhandenen gesamtwürttembergische Orientierung der südwürttembergi-
schen CDU hindert diese nicht daran, die erste Gelegenheit einer Profilierung Südwürttembergs
zu ergreifen und unter hohem politischen Einsatz gegen alle anderen Parteien
und gegen die französische Besatzungsmacht durchzufechten.

2. Zentralpunkt der Auseinandersetzungen sind nicht verfassungsrechtliche Fragen, sondern
ist die Frage der Eigenständigkeit Württemberg-Hohenzollerns gegenüber (Nord-) Württemberg
und Stuttgart. Diese Linie wird von den ersten Anfängen bis zum Abschluß der
Verfassungsverhandlungen ohne jedes Schwanken durchgezogen.

3. In diesen Verfassungs- und damit Identitätsstreit wird über die Presse und die Parteiveranstaltungen
auch die Bevölkerung einbezogen. In sehr zahlreichen Zeitungsartikeln wird
über den Streit berichtet; die CDU präsentiert die Verfassung im Wahlkampf als eigenständiges
südwürttembergisches Produkt. Die Junge Union von Württemberg-Hohenzollern
sagt dies unverhohlen: Wir haben uns gefreut, daß Südwürttemberg einen eigenen Entwurf
zur Verfassung geschaffen hat. Das Interesse der Bevölkerung an den öffentlichen Verhältnissen
ist dadurch wach geworden. Es ist töricht, der CDU zu unterschieben, sie hindere damit
unseren Anschluß an Nordwürttemberg2A. Die Wahlkampfbroschüre der CDU (An das
Schwäbische Volk in Stadt und Land) fordert in fettgedruckten Slogans wiederholt: Stimmt
für die Verfassung! Umgekehrt wiederholt die KPD alle Einwürfe der Verfasssungsdebatte,
wenn sie publiziert: Wir aber wollen eine Verfassung der ... Einigkeit und Wiedervereinigung
der beiden Landesteile. Wir wollen keinen habsburgisch-bayrisch-oberschwäbischen
Separatismus2*, Das Votum der Bevölkerungsmehrheit für die Verfassung und für die CDU
bei der Landtagswahl ist damit auch ein bewußter Entscheid über die Frage der südwürt-
tembergischen Identität.

Andererseits versichert Lorenz Bock in seiner Regierungserklärung vom Mai 1947: Bis
zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung wird die Regierung bestrebt sein, alles zu vermeiden,
was das organische Zusammenwachsen der beiden Landesteile (Württembergs) erschweren
könnte2''. Selbstverständlich ist dies für Konstanzer ein eindeutiges Indiz für seine These von
der Allparteienhaltung in Sachen württembergische Wiedervereinigung; es stört ihn nicht, daß
hier von einem (langsamen) organischen Zusammenwachsen die Rede ist und nicht von einer
raschen und einseitigen Fusion mit der Stuttgarter Zentrale. Erst recht übersieht er natürlich,
daß hier eine Doppelorientierung zum Tragen kommt, die neben südwürttembergischen
Identitätswünschen durchaus auch gesamtwürttembergisch denkt. Bocks bewußte südwürt-
tembergische Identitätspflege verweigert sich nicht der Neugliederung im Südwesten, will
aber insbesondere in der Schul- und Bildungspolitik und im Verwaltungsaufbau südwürttem-
bergische Positionen in das größere Staatsgebiet einbringen. Die gesamtwürttembergische
Komponente dieser »Doppelorientierung« sollte nicht überschätzt werden. Sie ist in diesem
Falle bedingt durch die Partner in der Koalitionsregierung (die SPD und die DVP) und nicht
zuletzt eine kleine Verbeugung vor der innerparteilichen Opposition. So provozierend dies
klingt: es spricht manches dafür, daß in Sachen südwürttembergische Identität und Interessenvertretung
der am alten Zentrum orientierte Lorenz Bock produktiver denkt als die südwürt-

24 «Die Junge Union im Wahlkampf«, Schwäbische Zeitung vom 3. Mai 1947, S. 3.

25 Schwäbische Zeitung vom 9. Mai 1947, S. 4.

26 Zitiert nach Eberhard Konstanzer (wie Anm 2), S. 57.

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