Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 39
(PDF, 85 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0053
Politische Identitätsbildung im Lande Württemberg-Hohenzollern

Meersburg (21. April); Villingen (16. Juni); Sigmaringen (30. Juni und 4. August); Uberlingen
(4. August).

Die enge Fühlungnahme mit dem Erzgegner Stuttgarter und Tübinger Südweststaatpläne
zeigt überdeutlich und endgültig, daß es der oberschwäbischen CDU absolut ernst ist mit
ihren Forderungen und daß sie im Freiburger Colombi-Schlößchen einen Partner und keinen
Gegner sieht. Dabei dürfte es sich wohl kaum nur um eine Frage der politischen Strategie gehandelt
haben, sondern um ein grundsätzliches Einverständnis in bezug auf Regionalismus im
neuen Südweststaat. Durch diese faktische Achse Ravensburg-Freiburg dürfte es zwischen
Gebhard Müller und der oberschwäbischen CDU erhebliche Spannungen gegeben haben.
Auch hier zeigt sich von einem anderen Blickwinkel her die Selbständigkeit der oberschwäbischen
CDU in Sachen Südweststaat.

Es erscheint deshalb gerechtfertigt, wenn man diese Entwicklung dahingehend zusammenfaßt
, daß der Südweststaatgedanke wesentlich nicht nur in Stuttgart und in Tübingen, sondern
gerade auch in Oberschwaben geformt wird. Die sich in dieser Diskussion herauskristallisierenden
Konzepte regionaler Mitsprache haben vermutlich die Bevölkerung Südwürttembergs
mehr überzeugt als die Modernisierungs- und Rationalisierungsparolen zentralistisch gesinnter
Südweststaatspropagandisten von der Art eines Theodor Eschenburg. Die enge Verbindung
zu Südbaden ermöglicht es dem oberschwäbischen Regionalismus, sich auch im Zuge
der Südweststaat-Politik höchst erfolgreich durchzusetzen. Die Brisanz dieser Verbindung
verhindert vielleicht auch, daß sich der südwürttembergisch-oberschwäbische Regionalismus
wie in der Verfassungsdiskussion in Bebenhausen von seinen Gegnern als hinterwäldlerisch
und halb vordemokratisch abqualifizieren lassen muß. Man kann fast geneigt sein, so etwas
wie eine zunehmende politische Akzeptanz zu erkennen. Noch einmal: Inhaltlich wie machtpolitisch
wird der Südweststaat maßgeblich in Oberschwaben gestaltet.

3. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Die Geschichte der südwürttembergischen und oberschwäbischen Identität nach 1945 zeigt
ein doppeltes Unterschätzen des Regionalismus. Einmal wird dieser Regionalismus in den politischen
Auseinandersetzungen um die Formung des Landes Württemberg-Hohenzollern
seit 1946 und um die Bildung des Südweststaats seit 1948 von der südwürttembergischen SPD,
DVP und KPD krass unterschätzt. Zum anderen wird dies in der landesgeschichtlichen Literatur
bis heute wiederholt. Dabei ist ausweislich der Quellen ein Verstehen der Geschichte des
Landes Württemberg-Hohenzollern ohne diese Kräfte des Regionalismus schlechterdings
nicht möglich. Generell unterschätzt wird die Schnelligkeit, mit der sich im Nachkriegsdeutschland
in den von den Alliierten oft ganz neu geformten Länder (etwa Nordrhein-Westfalen
, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen) eine eigene Identität herausbildet. Sehr bedenkenswert
erscheint mir außerdem der Gedanke von Heinrich Schmidt, der am Beispiel
Niedersachsens Landesidentität nicht so sehr aus der Vergangenheit erwachsen, sondern als
Zukunftsprogramm sehen will.54 Für weite Strecken der Südweststaatbildung in Oberschwaben
trifft genau dies zu, wobei allerdings historische Erfahrungen des 19. Jahrhunderts die
Negativfolie der Zielsetzung bilden. In Oberschwaben entsteht die regionale Identität aus
dem entschiedenen Willen, die eigene politische Zukunft der Region anders zu gestalten. Die
Erfahrungen mit dem Stuttgarter Zentralismus des 19. Jahrhunderts sowie mit dem Zentralismus
der nationalsozialistischen Diktatur und das Erkennen eigener Fähigkeiten durch die von

54 Heinrich Schmidt: »Wir sind die Niedersachsen - sturmfest und erdverwachsen«. Landesname,
Landesidentität und regionales Geschichtsbewußtsein in Niedersachsen. In: Geschichte Niedersachsens
neu entdeckt. Hg. von Horst Kuss/Bernd Mütter. 1996, S. 83-97.

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