Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 40
(PDF, 85 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0054
Heinz Pfefferle

außen verordnete Selbstverwaltung Süd Württembergs nach 1945 wirken hier zusammen.
Daraus entststeht der nachdrückliche Wille, das zunächst nur durch Zufall Erreichte nicht
mehr einfach preiszugeben.

Berechtigt erscheint die Frage, ob es denn eine »südwürttembergische« Identität gegeben
habe. Diese Bezeichnung scheint mir insofern gerechtfertigt, als es einen quellenmäßig deutlich
faßbaren Abgrenzungswillen, etwa in der Verfassungs- und in der Schulfrage gegeben hat.
Andererseits ist Württemberg-Hohenzollern in Sachen Identität sicher kein einheitliches Gebilde
: die nordwestlichen, mehrheitlich protestantischen Landkreise Tübingen, Reutlingen,
Calw, Freudenstadt, Münsingen und Balingen sind gewiß eher nach Nordwürttemberg orientiert
. Ganz anders liegen die Dinge in den hohenzollerischen Landkreisen, die vor allem ein
Höchstmaß an Autonomie gewinnen wollen. Kernland der oben skizzierten »südwürttem-
bergischen« politischen Identität ist damit Oberschwaben. Die politische Identität dieser Region
ist aber nicht einfach als »oberschwäbisch« zu benennen, weil sie sich in ihrer politischen
Zielsetzung nicht auf die Region beschränkt, sondern den ganzen Staat Württemberg-Hohenzollern
entsprechend formen will. Schließlich zeigt sich bei der Südweststaat-Diskussion ab
1948, daß hier keinesfalls die Region der ausschließliche Bezugspunkt ist, sondern daß dieser
Regionalismus in der Lage ist, sich mit größeren politischen Einheiten sehr produktiv auseinanderzusetzen
. Zudem zeigt sich in den Quellen geradezu der Musterfall einer »geschichteten
Identität« (Christian von Krockow): Die südwürttembergische Identität ist mit einer gewissen
gesamtwürttembergischen Orientierung durchaus vereinbar, wie oben im Zusammenhang der
»Doppelorientierung« der südwürttembergischen CDU dargetan werden sollte.

Verbreitet ist die Neigung in der Forschungsliteratur, die Inhalte der südwürttembergischen
Identitätsbestrebungen abzuqualifizieren. Den CDU-Verfassungsentwürfen für Württemberg
-Hohenzollern wirft Edgar Wolfrum vor, »über weite Strecken ein zweifelhaftes Demokratieverständnis
« zu offenbaren53. Hellmuth Auerbach meint gar, nur das französische
Veto habe »im südlichen Württemberg...ein() undemokratisches, autoritäres Präsidialsystem
katholischer Prägung« verhindert5''. Sie wiederholen damit die Vorwürfe von SPD, DVP und
KPD aus dem Verfassungsstreit. Daß damit diese parteipolitischen Vorwürfe den Segen objektiver
Historiographie erhalten, ist ebenso bewerkenswert wie bedenklich. Damit sollen fragwürdige
Seiten und Vorgänge bei der südwürttembergisch-oberschwäbischen Identitätsbildung
nicht negiert werden; dringend notwendig ist jedoch eine sorgfältigere Bewertung.
Interessant wäre es in der Tat, die Reformfähigkeit des südwürttembergisch-oberschwäbi-
schen Regionalismus an Fragen wie der Bodenreformgesetzgebung oder dem Betriebsverfassungsgesetz
von 1948 zu messen. Dazu aber bedürfte es mehr als der schlichten Wiederholung
von Argumenten aus den parlamentarischen Auseinandersetzungen in Bebenhausen.

Dringend notwendig wäre es für die Landesgeschichtsschreibung, die expliziten und vor
allem die versteckten Wertungskategorien im Zusammenhang mit dem Regionalismus zu
überprüfen. Das weit verbreitete Abqualifizieren des Buches von Otto Feger über die Schwäbisch
-alemannische Demokratie ist dafür ein herausragendes Zeugnis. Daß dabei in seriöser
Literatur bis heute Verdächtigungen wiederholt werden, die vielleicht in der Hitze des Süd-
weststaats-Wahlkampfs noch gerechtfertigt sein mögen, ist zutiefst beschämend. Es ist ein
wesentliches Verdienst der Dissertation von Jürgen Klöckler, diese Verdächtigungen präzise
widerlegt zu haben. Es steht jedoch noch aus, nachzuweisen, inwiefern dieses wichtige Buch
weitergewirkt hat. Es sei hier die These gewagt, daß mancher Gedanke, etwa der dezentralen

55 Edgar Wolfrum: Französische Besatzungspolitik und deutsche Sozialdemokratie. Politische
Neuansätze in der »vergessenen Zone« bis zur Bildung des Südweststaates 1945-1952. Düsseldorf 1991,
S. 198. In einer Kurzfassung seiner Dissertation wiederholt Wolfrum diesen Satz 1993 wörtlich.

56 Hellmuth Auerbach: Französische Besatzungsmacht, katholische Kirche und CDU in Württemberg
-Hohenzollern 1945-1947. Schwierigkeiten mit Bildungsreform und Demokratisierung. In: Von der
Besatzungszeit zur deutsch-französischen Kooperation. Hg. von Joseph Jurt. 1993, S. 167.

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