Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 53
(PDF, 85 MB)
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Gebhard Müller - Staatsmann zwischen Rumpfland und Länderneugliederung

rung durch Schöpfung einer eigenen Verfassung, und um es bei dieser Gelegenheit zu sagen:
Es besteht auch kein Gegensatz zwischen Identifikation mit dem Rumpfland Württemberg-
Hohenzollern und der Beschwörung seiner Tugenden einerseits und dem Streben nach
Wiedervereinigung mit Nordwürttemberg und darüber hinaus dem Zusammenschluß zum
Südweststaat andererseits. Meines Erachtens ist bisher zu wenig beachtet worden, daß die
Schaffung des Staates Württemberg-Baden per Proklamation des Generals Eisenhower am
19. September 1945 und seine verfassungsmäßige Konstituierung Ende November 1946
nolens volens ein Faktum war, »das für alles Weitere von größtem Einfluß blieb«, wenn man
auch sicher Paul Feuchte zustimmen muß, daß dieses Faktum »die Gründung des Südweststaates
nicht unausweichlich zur Folge« haben mußte38. Man wird aber schwerlich der Haltung
Müllers entgegentreten können, daß die Bildung Württemberg-Badens als Land der US-
Besatzungszone de facto notwendig den Status des Staatssekretariats als Abwesenheitspfleger
der Stuttgarter Regierung veränderte und die französische Besatzungsmacht beinahe zum
Handeln zwang39. Die USA und Frankreich hatten in einigen Bereichen, vor allem bei der
Gesetzgebung und in puncto Kooperation der Länder, sehr verschiedene Vorstellungen. Aus
dem Blickwinkel der damaligen Zeit erscheint mir der Weg hin zu einer eigenständigen Verfassung
für Württemberg-Hohenzollern, die ja nicht zuerst von deutscher Seite gewollt, sondern
von der Besatzungsmacht befohlen worden war, folgerichtig. Die besondere Ausprägung dieser
Verfassung im Vergleich zur Verfassung Württemberg-Badens ist nach meinem Dafürhalten
weniger in der fraglos gegebenen starken Einwirkung erzkonservativer Ordnungsvorstellungen
der dominierenden CDU - die ja von der Militärregierung zurechtgestutzt wurden
- zu sehen als in der Tatsache, daß Württemberg-Hohenzollern ein französisch besetztes Land
war, und daß es sich demographisch, kulturell, wirtschaftlich und in seiner territorial heterogenen
Zusammensetzung erheblich vom nördlichen Nachbarn unterschied. Wer sich darüber
erstaunt zeigt, daß die CDU versuchte, in einem von ihr majorisierten Verfassungsausschuß
ihre Maximalforderungen durchzusetzen, sollte nicht vergessen, daß dies wohl jede andere
Partei mit vergleichbarem Mehrheitspolster auch versucht hätte. Die CDU in Württemberg-
Baden stand wesentlich schwächer da und konnte ihre Positionen kaum so vehement vertreten
. Weiterhin kann ich nur darauf verweisen, daß sich etwa die Schulfrage im Süden ganz
anders stellte als im Norden, wo sie vergleichsweise geringen politischen Streitwert besaß.

Obwohl er der Landesversammlung und damit auch dem Verfassungsausschuß nicht angehörte
, war Gebhard Müller eine Schlüsselfigur der Verfassungsschöpfung. Verschiedentlich
wandte man sich an ihn um Rat, als Sachverständiger war er bei einigen Sitzungen des Verfassungsausschusses
anwesend. Nach der Zurückweisung des zuletzt allein von der CDU durchberatenen
Verfassungsentwurfs waren es Müller und Carlo Schmid, die die Parteien wieder an
einen Tisch mit der CDU brachten und die zügige Endberatung ermöglichten. Die umfassende
Quellenedition von Dr. Thomas Rösslein, die demnächst erscheinen soll - wenn die Kommission
für geschichtliche Landeskunde nicht unter noch größeren Einsparungen zu leiden
hat - wird dies eindrucksvoll dokumentieren.

Müller wurde großer Einfluß beigemessen. So mußte er sich wiederholter hartnäckiger
Versuche des Jesuitenordens im Verein mit dem Fürsten Waldburg-Zeil erwehren, die massiven
Einfluß auf die Verfassungsschöpfung für Württemberg-Hohenzollern zu gewinnen
suchten40. Auch die Versicherung des Paters Wulf in München, Rottenburg würde diese Ein-

38 Feuchte: Politische Einheit (wie Anm. 6), S. 5.

39 Müller 1952 (wie Anm. 3), S. 4.

40 Dies geht eindeutig aus mehreren Briefen hervor, die Pater Wulf SJ (München) an Gebhard Müller geschrieben
hat. Sie stammen vom 5. 10. 1946, 2.11.1946, 4. 12. 1946 und 22. 1. 1947 (NGM, B 73). Im Brief
vom 22. 11. 1946 teilte Wulf mit, er werde zum beabsichtigten Treffen den Fürsten Waldburg-Zeil und Dr.
Beyerle bitten.

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