Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 62
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Bernhard Rüth

in Bernstein in ihren verschiedenen Entwicklungsphasen vorzeigbare Leistungen erbracht;
ihre Erfolgsbilanz nimmt sich im Vergleich mit anderen Kunst(hoch)schulen beachtlich aus.
An der Kunstschule in Bernstein erhielten - vorwiegend in der Ära Kälberer/Pfeiffer - rund
sechzig angehende Künstler und Künstlerinnen eine der akademischen Tradition verpflichtete
Ausbildung; annähernd zur Hälfte faßten die »Bernsteiner« in künstlerischen Berufen Fuß3.
In der Ära Grieshaber/Fürst wurde Bernstein zum Sammelpunkt der künstlerischen Avantgarde
; die sogenannten Bernsteindrucke trugen den Ruf der Kunstschule, die unter der Bezeichnung
»Bernsteinschule« zum Begriff wurde, in die Kunstwelt hinaus.

Die von Bernstein ausgehenden Impulse haben in der Kunstszene Baden-Württembergs
Akzente gesetzt. Als Keimzelle der Nachkriegskunst verdient die Kunstschule in Bernstein -
trotz ihrer Kurzlebigkeit - einen Ehrenplatz in der südwestdeutschen Kunstgeschichte.

Das Experiment »Bernstein« war ein typisches Nachkriegsphänomen''. Die Kunstschule
verdankte ihre Entstehung den strukturellen Gegebenheiten der Besatzungszeit. Mit dem
Land Württemberg-Hohenzollern stand das Bildungsinstitut in symbiotischer Beziehung:
Die Kunstschule diente dem provisorischen Staat7, der sie stützte, als Akademie-Provisorium.
Die südwürttembergische »Teilstaats-Ideologie«8 ist der politische Horizont, vor dem das
Kulturphänomen »Bernsteinschule« zu sehen ist.

Die sogenannte Stunde Null bot die historische Chance zu kultureller Neubesinnung und
kultureller Neugestaltung. Im Zeichen des Aufbruchs wurden vielerorts Organisationen und
Institutionen zur Kulturvermittlung geschaffen. In seinem Beitrag zum Standardwerk »Das
Land Württemberg-Hohenzollern 1945-1952« hat Bruno Heck die Kultureuphorie im Land
Württemberg-Hohenzollern aus der Erinnerung des Mitgestalters beschrieben. »Von der Kultur
, vom geistigen Leben, von der Bildung im allgemeinen hat man damals die bessere Zukunft
erwartet.« Nirgendwo - so Heck - habe sich seinerzeit »geistig-kulturell so vieles so vielfältig
geregt« wie im deutschen Südwesten - und insbesondere im Land Württemberg-Hohenzollern9
. Viele der damals ins Leben gerufenen kulturellen Vereinigungen und Einrichtungen
erwiesen sich - nebenbei bemerkt - als nicht überlebensfähig. Aus der Anormalität, der Ausnahmesituation
der Notjahre geboren, waren sie der Normalität der Wirtschaftswunderjahre
nicht gewachsen.

Der Zwergstaat Württemberg-Hohenzollern steht seit jeher im Ruf, ein fruchtbarer Boden
für Kulturinitiativen gewesen zu sein. An der Förderung von Kultur und akademischer Wis-

im Kälberer-Archiv, Sulz-Glatt). Sie gelangte zur Auffassung, daß Kälberers Konzeption »im engeren,
schulischen Sinne« nicht eigentlich gescheitert sei, wohl aber Grieshabers weiterreichende Schulkonzeption
. Ebd. S. 60-62.

5 Auf diesen Umstand hat Werner P. Heyd in seinen obengenannten Katalogbeiträgen (Anm. 3) als erster
hingewiesen; unter diesem Gesichtspunkt hat er das Bildungsexperiment »Bernstein« ausdrücklich als geglückt
beurteilt. - Lehrer und Schüler der Bernsteinschule sind zusammengestellt in: Die Bernsteinschule
1946-1951. Hg. von Eva-Marina Froitzheim u. a. (Ausstellungskatalog). 1995. S. 71f. (Eva-Marina
Froitzheim: Verzeichnis der Lehrer) und S. 72-78 (Eva-Marina Froitzheim: Verzeichnis der Schüler).

6 Vgl. auch Bader (wie Anm. 4), S. 43.

7 Der Staat Württemberg-Hohenzollern wurde von maßgeblicher Seite als Provisorium aufgefaßt. Vgl.
Gebhard Müller: Das Land Württemberg-Hohenzollern. Entwicklungslinien und Wendepunkte. 1973,
besonders S. 26. Zum historischen Kontext: Eberhard Konstanzer: Die Entstehung des Landes Baden-
Württemberg. 1969.

8 Auf das konkurrierende Prinzip der Landesidentität verweist Heinz Pfefferle: Politische Identitätsbildung
in Württemberg-Hohenzollern (1945-1952). Die Renaissance oberschwäbischen Regionalbewußtseins
(Schriften zur Geschichtsdidaktik. Bd. 5). 1997.

9 Bruno Heck: Geistiger Aufbruch. Neubeginn an der Universität, im Kunstbereich und in der kulturellen
Arbeit. In: Das Land Württemberg-Hohenzollern 1945-1952. Darstellungen und Erinnerungen. Hg.
von Max Gögler und Gregor Richter in Verbindung mit Gebhard Müller. 1982, S. 279-291 (Zitate:
S.291).

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