Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 76
(PDF, 85 MB)
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Bernhard Rüth

würde es dankbar begrüssen, so ließ Schneider gegenüber dem Staatsrentamt Rottweil im April
1955 verlauten, wenn in Bernstein einmal klare Verhältnisse geschaffen werden würden,
dadurch, dass das sogenannte »Künstlernest« aufgehoben und den Leuten, die etwas Nützliches
arbeiten - gemeint ist die Familie des Domänenpächters Kewitz -, der Raum vermietet werden
würde104.

Die Liegenschaftsverwaltung im Finanzamt Rottweil behandelte - ebenso wie die vorgesetzte
Stelle, das Finanzministerium - die Mietangelegenheit »Bernstein« routinemäßig unter
fiskalischen Gesichtspunkten105. Im »Kampf um Bernstein« ging das Finanzamt in Verbindung
mit dem Bezirksbauamt Rottweil in die Offensive; dabei wurden massive Ressentiments
gegen die sogenannte abstrakte Kunst vorgebracht10*1. Das Bezirksbauamt Rottweil gab dem
Regierungspräsidium Tübingen im April 1953 zu bedenken, dass gesund empfindende Menschen
kein Verständnis dafür haben, dass mit staatlichen Mitteln dekadente, vielleicht auch
noch staatsfeindlich orientierte Halbkünstler gefördert werden107. Die »konzertierte Aktion
der lokalen Gewalten« gegen Grieshaber und dessen Klientel stellt das trübste Kapitel der
Bernstein-Geschichte dar108.

Die Regierungs- und Verwaltungsstellen ließen sich in ihrer Haltung zur Kunstschule in
Bernstein von gegensätzlichen, wechselhaften Interessen und Intentionen leiten. Den Vertretern
der Bildungseinrichtung fiel es schwer, sich im Dickicht der staatlichen Instanzen zurechtzufinden
. Gegenüber Dr. Walter Röblitz, dem Leiter des Volkshochschulheims Inzig-
kofen, ließ Paul Kälberer gelegentlich verlauten, daß Tübingen ein heikles Pflaster sei, auf dem
man schwer vorankommt, aber leicht ausgleiten kann109. Diese Einschätzung läßt die Verunsicherung
des Schulleiters erkennnen.

4. ÜBERLEBENSSTRATEGIEN

Es ist es aufschlußreich, den Strategien der Existenzsicherung nachzugehen, die das Bildungsinstitut
in den Jahren der Krise entwickelte. Besondere Beachtung verdienen die vergeblichen
Versuche, die Kunstschule der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart anzugliedern beziehungsweise
dem Volkshochschulheim Inzigkofen einzugliedern.

Paul Kälberer war sich darüber im klaren, daß die Privatschule in Bernstein der Anbindung
an das öffentliche Bildungssystem bedurfte. In den Jahren 1948-1950 setzte der Schulleiter
alles daran, um den Bestand der Arbeitsgruppe für bildende Kunst durch »Vernetzung« im
Hochschul- oder im Volksbildungswesen abzusichern.

Um die Jahreswende 1948/49 regte Paul Kälberer, der über Beziehungen zur Stuttgarter
Kunstszene verfügte, gegenüber Professor Rudolf Yelin eine offizielle Kooperation zwischen
der Arbeitsgruppe für bildende Kunst in Bernstein und der - im November 1946 wiedereröffneten
- Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart an110. In Kälberers Intention

104 StASWü 127/3 Nr. 231:146(12.4.1955). HStAS EA 3/201 Bü. 3:138.

105 Vgl. StASWü 127/3 Nr. 231: 44.

106 StAS Wü 127/3 Nr. 231. HStAS EA 3/201 Bü. 3.

107 Ebd. Vgl. Hochstuhl (wie Anm. 21), S. 426-428.

108 Hochstuhl (wie Anm. 21), S. 425.

109 Archiv Margot Fürst, Stuttgart: Paul Kälberer an Dr. Walter Röblitz, 6.1.1950.

110 Paul Rälberer an Professor Rudolf Yelin, 15.1.1949: StAS Wü 65/13 Bd. 3 Nr. 198. Dem Schreiben
war eine Besprechung mit den Professoren Rudolf Yelin und Hermann Sohn vorausgegangen. - Zur
Geschichte der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart in der Nachkriegszeit: Staatliche
Akademie der bildenden Künste Stuttgart. 1946-1953. [1954]. Staatliche Akademie der bildenden Künste
Stuttgart. Zum 200jährigen Bestehen der Akademie. Die Lehrer 1946-1961. 1961.

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