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Akademie-Provisorium im provisorischen Staat. Die Kunstschule in Bernstein (1946-1955)
lag sowohl ein Studentenaustausch als auch eine Abordnung von Stuttgarter Professoren nach
Bernstein; damit wäre die Kunstschule de facto zur Außenstelle der Kunstakademie avanciert.
Am 3. Juni 1949 lehnte die Staatliche Akademie der bildenden Künste das Ansinnen in verbindlicher
Form ab; es wurden finanzielle Gründe geltend gemacht111. In der Folge blieb es bei
vereinzelten Kontakten auf inoffizieller Ebene112. Der Brückenschlag zum Hochschulwesen
war mißlungen.
Daraufhin suchte Paul Kälberer die Kunstschule - nach dem Gesetz, wonach sie angetreten
war - im Volksbildungswesen zu verankern. - Seit dem Frühjahr 1948 stand die
Arbeitsgruppe für bildende Kunst in Bernstein mit dem neubegründeten Volkshochschulheim
Inzigkofen als zentraler Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft der Volkshochschulen
Südwürttembergs in Verbindung. Zwischen Paul Kälberer und Dr. Walter Koblitz, dem
Leiter des Volkhochschulheims, entwickelte sich ein von gegenseitigem Respekt getragenes
Vertrauensverhältnis"3.
Im Spätjahr 1949 konfrontierte Paul Kälberer, der den Verbleib der Kunstschule in Bernstein
gefährdet sah, Dr. Walter Koblitz mit der Frage, ob für ihn eine Übersiedlung der Arbeitsgruppe
für bildende Kunst von Bernstein nach Inzigkofen in Betracht käme. In diesem
Zusammenhang trug er dem Leiter des Volkshochschulheims die Leitung der Kunstschule
an114. Im Januar 1950 begründete Kälberer seine Offerte folgendermaßen: So ist es meine
Hauptsorge, falls die Schule wandern müsste, dass sie unter eine zuverlässige Obhut käme, da
dem in Schulsachen sonst so guten Herrn Pfeiffer die organisatorischen Dinge nicht liegen. Ich
bin davon überzeugt, dass Sie dafür der Beste sind, und wünschte deshalb, dass die Schule in
Ihre Nähe käme, damit das angefangene Werk nicht untergeht1^'. Dr. Walter Koblitz ließ sich
auf das Projekt ein. Im Kontakt mit Kälberer sondierte er im Kultministerium Württemberg-
Hohenzollern die Lage; dort speiste man ihn jedoch mit unverbindlichen Floskeln ab"6. Trotz
aller Bemühungen verliefen die Verhandlungen mit den zuständigen Stellen letztendlich im
Sande. In einem Schreiben an Kälberer brachte Dr. Koblitz seine Enttäuschung über die Haltung
der Ministerialbürokratie zum Ausdruck: Mir ist es beim besten Willen nicht möglich, ein
Bild davon zu gewinnen, welcher Art nun eigentlich die Kulturpolitik unseres kleinen Landes
istu?. Dieser Stoßseufzer trifft den Kern der Sache. Der Fusionsplan scheiterte - so ist festzustellen
- an der passiven Haltung der Kultusverwaltung.
Am Rande sei erwähnt, daß es kurz vor der Auflösung der Bernsteinschule ein zweites Mal
zu einer Annäherung an die akademische Sphäre kam. Im Jahr 1955 trat der Verein »Freunde
der Bernsteinschule« in Ubergabeverhandlungen mit der Staatlichen Akademie der bildenden
111 Staatliche Akademie der bildenden Künste, Stuttgart, an Paul Kälberer, 3.6.1949: StAS Wü 65/13
Bd. 3 Nr. 198.
112 Vgl. Froitzheim: Annalen der Bernsteinschule 1946-1950 (wie Anm. 34), S. 51 f. und S. 54 (»unter
3. Juni«-zu 1949!).
113 Zur Geschichte des Volkshochschulheims Inzigkofen: Becker: Das Volkshochschulheim Inzigkofen
(wie Anm. 13). Zur Person des Leiters: Renate Krausnick-Horst: Geschichten aus der Anfangszeit
des Volkshochschulheims Inzigkofen. In: Inzigkofen (wie Anm. 13), S. 44-74, hier S. 49-52.
114 Paul Kälberer an Dr. Walter Koblitz, 30.11.1949: Archiv Margot Fürst, Stuttgart, und Kälberer-
Archiv, Sulz-Glatt.
115 Paul Kälberer an Dr. Walter Koblitz, 6.1.1950: Archiv Margot Fürst, Stuttgart.
116 Der Verlauf der Gespräche ist aus den Schreiben zu ersehen, die Dr. Walter Koblitz an Paul Kälberer
richtete. Archiv Margot Fürst, Stuttgart: Volkshochschulheim Inzigkofen an Paul Kälberer, 27.1.1950.
Volkshochschulheim Inzigkofen an Paul Kälberer, 14.2.1950. Volkshochschulheim Inzigkofen an Paul
Kälberer, 28.3.1950. Volkshochschulheim Inzigkofen an Paul Kälberer, 15.5.1950. Volkshochschulheim
Inzigkofen an Paul Kälberer, 31.5.1950. Kälberer-Archiv, Sulz-Glatt: Volkshochschulheim Inzigkofen an
Paul Kälberer, 4.7.1950.
117 Volkshochschulheim Inzigkofen an Paul Kälberer, 4.7.1950: Kälberer-Archiv, Sulz-Glatt.
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