Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 98
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0112
Rainer Loose

Großteil des Dungs fiel bei der Vor- und Nachweide mit eigenem oder fremden Vieh auf den
Oschen an. Solange Vieh über die Felder getrieben wurde, konnte natürlich auch keine Bodenbearbeitung
und Feldbestellung vorgenommen werden, es sei denn, die Hirten und Bauern
sorgten für eine gute Abzäunung und strenge Aufsicht, welche aber meist unterblieb. Hinderlich
waren neben dem allgemeinen Weidetrieb die Uberfahrtsrechte (damals gab es kaum
Feldwege, so daß man, um auf sein Feld zu gelangen, über die Äcker anderer fahren mußte)
und der Anbauzwang. Der Anbauzwang bestimmte, wo wann und welche Frucht angebaut
werden durfte, Dinkel im Winterfeld, Gerste und Hafer im Sommerfeld, Hanf und Lein in den
Ländern außerhalb der drei Osche, Kraut und Kartoffeln in den Gärten und Ländern, Kohlraben
(Futterrüben) in den Rüb- oder Krautteilen. Für Futterkräuter wie Klee, Esparsette und
Luzerne fehlte vorerst der Platz oder sie wurden in den Außenfeldern angebaut. Fruchtwechsel
und Mehrfelderwirtschaft blieben während der ersten Hälfte des 19Jahrhunderts in etlichen
Albdörfern noch Fremdwörter. Viele Bauern hatten auch keinen besonderen Grund,
Futterkräuter auf den Feldern »anzublümen«, weil der Ertrag der Ohmdwiesen für die knapp
vier Monate dauernde winterliche Aufstallung des Viehs ausreichte; die übrige Jahreszeit weidete
es mehr oder weniger beaufsichtigt auf den Allmendweiden und im Wald. Unschwer ist
auszumachen, daß von der Lösung des Weideproblems eine Verbesserung der Dreifelderwirtschaft
mit höheren Getreideerträgen abhing. Nach und nach rückte man aber dem Problem
zuleibe. Zunächst drängte die staatliche Forstverwaltung im Interesse einer Erneuerung der
Wälder auf eine Ablösung der bäuerlichen Waldweiderechte. Die Waldweide wurde aus der
Waldwirtschaft separiert, um letztlich nur noch reine Holzböden zu erhalten, die nach forstwirtschaftlichen
Aspekten bewirtschaftet werden sollten. Die Gemeinde Wilsingen schloß am
19. Dezember 1830 mit dem Forstamt Zwiefalten einen Vertrag, der der Realgemeinde eine
Fläche von 304 Morgen 71 Ruten 50 Schuh (ca. 102 ha) Weide in zwölf Waldweidedistrikten
zuwies. Der Staat überließ außerdem der Gemeinde den daraufstehenden Holzvorrat von
1968 V-t Klafter für 8857 fl 8 x, die in sechs Jahresraten an das Kameralamt Zwiefalten zu entrichten
waren38. Bei den Seidnern und Tagelöhnern trat bald darauf eine Verknappung der
Weide ein, was diese wiederum veranlaßte, Futterkräuter auf den nicht dem Anbauzwang unterworfenen
Außenfeldern anzubauen, um den Viehstand zu halten. Die guten Erfahrungen,
die man damit machte, fanden Nachahmer auch unter den Vollbauern. Ihre positiven Ergebnisse
und das Vorbild der größeren Hofgüter mit dem achtjährigen Fruchtwechselzyklus bereiteten
den Weg zur verbesserten Dreifelderwirtschaft und zur Einführung der ganzjährigen
Stallfütterung, weil sich so auch der Brachösch in den Anbauzyklus und in die Fruchtfolge
einbeziehen ließ. Der Brachösch wurde daher zum Experimentierfeld für neue Feldfrüchte
und Düngungsmethoden.

Wann in Wilsingen die Stallfütterung eingeführt wurde, entzieht sich einer genauen Angabe
. Im Gemeinderatsprotokoll von 1844 ist allerdings ein diesbezüglicher Beschluß festgehalten
, »wegen der gänzlichen Einführung der Stallfütterung sieben Morgen entbehrliche Viehtriebwasen
zu Gemeindegütern zu benutzen«'9. Diese Angabe ist wohl so zu verstehen, daß

58 StaatsA Sigmaringen, Wü 161/68 (Forstamt Zwiefalten), Bii 113 (Waldabtretungen in der Gemeinde
Wilsingen 1824-41).

59 Gemeinderatsprotokoll Bd. 2, S. 32 zum Datum 2. August 1844; aus dem Gemeinderatsprotokoll vom
18. Mai 1843 geht hervor, daß jeder Bauer solange der Gemeinde eine Weideentschädigung von aufgeforsteten
Weitraitenfeldern in Höhe 9 x zu zahlen habe, bis die Stallfütterung eingeführt sei; die Angabe bei Herbert
Burkarth: Der Streit um die Weiderechte im Hart (in: Hohenzollcrische Heimat 39. Jg. (1989), S. 58
ist wohl nicht zutreffend, da es sich bei der Ablösung der Weiderechte im Hart um eine »forsttechnische«
Maßnahme handelte, mit dem Ziel, die Eigentumsrechte in der Hand des Staates zusammenzuführen und
das unbeschränkte Nutzungsrecht der Gemeinden zu reduzieren. Analog dazu verstärkt die Forstverwaltung
die Bemühungen, die Holzgerechtigkeiten gemeindeweise zu regeln, im Fall Wilsingen 1827.

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