Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 103
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0117
»Wilsingen, ein Dorf auf den Alpen unweit Trochtelfingen«

in einer Geld- und Kapitalknappheit, die wesentlich von den wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen
nach den Freiheitskriegen und der Hungersnot von 1816/17 herrührte. Die Lösung
des Problems bestand zunächst in der Ausweitung des Stellviehwesens, dann als Mittel dagegen
in der Errichtung von Viehleihkassen durch die Gemeinden. In Wilsingen verzichtete man
auf eine Viehleihkasse, womit den Bedürftigen eine Quelle fehlte, sich gegen niedrigen Zins
einen Kredit zu besorgen. Als Jakob Manz 1830 in eine finanzielle Notlage geriet, wandte er
sich daher an den Handelsjuden David Levi80 aus Hechingen, der mit ihm einen Stellviehvertrag
schloß, den der Schultheiß Hölz ins Gemeinderatsprotokoll eintragen ließ, und zwar, -
wie es heißt -, damit Jakob Manz von Wilsingen von diesem Vieh nun nichts verkaufen darf,
weil es ausgemachtes Eigentum von Levi ist und dem Manz aus höchster Not in ohgesagten
Besitzstande angeliehen wurde*x. Der Zins (der sogenannte »Melkzins«) blieb mit 5 fl (Zinssatz
ca. 5,5% bei 90 fl) im Rahmen des Üblichen. Allerdings mußte Jakob Manz dem David
Levi das Recht einräumen, daß er jederzeit seine ihm gehörigen Kühe nebst Kälbern aus dem
Stall holen dürfe. Diese Klausel wurde stets dann wirksam, wenn ein Kalb geboren wurde und
zu befürchten war, daß der Schuldner das Kalb verheimlichen wollte. Trat dieser Fall ein, dann
stieg die Zinslast schnell auf 20 Prozent, was die meisten als Wucher betrachteten. In der Regel
war dann die Vergantung (= Zwangsversteigerung, zumeist in Form der Zerschlagung des
Gutes und Versteigerung der einzelnen Stücke) nicht mehr aufzuhalten.

Eine vergleichsweise »reiche« Gemeinde wie Wilsingen konnte es sich leisten 1839 ein
neues Backhaus mit Ratszimmer auf dem Platz, »wo das andere Hirtenhaus stand«, zu erbauen82
und die ehemalige Zehntscheuer für 800 fl vom Kameralamt Zwiefalten zu erwerben.
Aber eine rechte Freude hatte die Gemeinde damit nicht, weil die Reparaturkosten bei weitem
das Pachtgeld überstiegen. So beschlossen Gemeinderat und Bürgerausschuß im August 1846,
die alte Zehntscheuer im Aufstreichverfahren zu versteigern. Den Zuschlag erhielt Michael
Aigner bei 1653 fl. Er wird nach Ablauf des Pachtvertrags ab Georgii 1847 neuer Besitzer83 des
alten Gebäudes, das 70 Fuß lang und 40 Fuß breit, aus Stein bis unter's Dach erbaut war und
zwei Tennen besaß84.

Zum Bild einer wohlhabenden Albgemeinde des 19.Jahrhunderts passen zudem die Nachrichten
über die Übernahme des Schulgeldes, das bis dahin die Eltern für jeden Schüler dem
Lehrer zahlen mußten, auf die Gemeindekasse 184285. Ebenfalls von der Gemeindepflege
wurde der Kostenanteil für die Aufhebung des Mühlbanns in Wimsen 184986 übernommen.
Wilsingen war mit anderen ehemaligen Zwiefalter Klosterorten in die Wimsener Mühle gebannt
. Zunächst weigerten sich die Gemeinderäte, einem Entschädigungsverfahren zugunsten
des Mühlenbesitzers, des Grafen von Normann-Ehrenfels, zuzustimmen, weil die Familie das
Mannlehen Ehrenfels erst 1803 als Dank des Herzogs Friedrich für die diplomatischen Dienste
in Paris und anderswo erhalten hatte87. Die Wilsinger wurden jedoch eines anderen belehrt
und mußten sich zur Zahlung eines Anteils von 300 fl bereit finden. Zu diesem Zweck nahm
man 1851 aus der Bronner'schen Pflegschaft einen Kredit von zweimal 150 fl auf, den man mit

80 David Levi zählte zusammen mit seinem Vater Leopold Moises zu den privilegierten Juden, die im
Oberamt Zwiefalten seit 1807 Handel treiben durften; er entrichtete dafür ein jährliches Recognitionsgeld
von 5 fl [StaatsA Sigmaringen, Wü 125a, Bd. 1370 (Kameralamtsgrundbuch Zwiefalten, 3. Heft), S. 46a].;
sein Vater starb 1839; seitdem entfiel die Zahlung des Recognitionsgelds.

81 Gemeinderatsprotokoll Bd. I, S. 26 vom 15. Juni 1830.

82 Gemeinderatsprotokoll Bd. I, S. 184, verhandelt am 24. August 1839 (Beschluß und Bauantrag beim
Oberamt Münsingen).

83 Gemeinderatsprotokoll Bd. II, S. 183 verhandelt am 18. Juli 1846.

84 StaatsA Sigmaringen, Wü 125a, Bd. 1372 (Kameralamtsgrundbuch Zwiefalten, 4. Heft, S. 116 a)

85 Gemeinderatsprotokoll Bd. II, S. 2, verhandelt 15.November 1842.

86 Gemeinderatsprotokoll Bd. II, S. 453, verhandelt 9. Dezember 1850.

87 Gemeinderatsprotokoll Bd. II, verhandelt 6. November 1849.

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