http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0119
HANS-KARL SCHULER
Revolution und Untertanenprozeß um »freie Pürsch«
und »Forst« in der gefürsteten Grafschaft Zollern
1. EINLEITUNG
Zu den ab dem 11. Jahrhundert als Regalien bezeichneten Hoheitsrechten des Königs gehörte
auch das Forstregal. Dieses bereits von den Karolingern in Anspruch genommene umfassende
Verfügungsrecht über herrenloses Außenland sicherte dem König das Monopol zu Rodung
und Jagd. Er nutzte es als ein Instrument der Binnenkolonisation und Landesentwicklung.
Während des Mittelalters ging in Deutschland das Forstregal weitgehend auf die Territorialherren
über. Diese nahmen das Kernstück des Forstregals, das Jagdregal, exzessiv auch für
Gebiete in Anspruch, deren Grundherren sie nicht waren. In Schwaben, wo sich nach altem
Herkommen das freie Jagdrecht für jedermann in regional begrenzten Freipürschgebieten
erhalten hatte, konnten dadurch schwerwiegende Interessenskonflikte zwischen den Landesherren
und ihren Untertanen nicht ausbleiben.
Mächtigen Landesherren gelang es, das Jagdregal meist landesweit durchzusetzen, somit
bestehende Freipürschbezirke aufzulösen, einzuschränken oder ordnend in die Freipürschen
einzugreifen. In dem ökonomisch schwachen Kleinterritorium der gefürsteten Grafschaft
Hohenzollern-Hechingen aber entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert eine dramatische
Auseinandersetzung zwischen den Untertanen und ihrem Landesherrn. Sie war revolutionär
und wurde durch einen fast 100 Jahre andauernden Rechtsstreit vor den höchsten Reichsgerichten
und dem Kaiser ausgetragen. Der Prozeß ging als «... Land und Leute verderbliche[r]
Untertanenprozeß« in die deutsche Rechtsgeschichte ein. Zu den Streitpunkten zählten die
erdrückenden Fron- und Abgabelasten der Leibeigenen sowie die Einschränkung der agrar-
wirtschaftlichen Nutzungsrechte. Weit im Vordergrund aber stand der Kampf um die Erhaltung
der »freien Pürsch«.
2. DIE BEGRIFFE »FORST« UND »FREIE PÜRSCH«
Die Herkunft des Begriffes Forst ist umstritten. Überwiegend wird angenommen, daß er lateinischen
Ursprungs ist; lat. forsi = draußen, außerhalb, aus forra = Tür (6, 9). Das bedeutet: alles
, was sich außerhalb der Besiedlung und damit auch außerhalb der Rechte Dritter befindet.
Die Karolinger Könige betrachten als Oberhäupter des Reichs die herrenlosen Länder und
Güter als »forestis nostra« (unser Forst). Sie stützten sich dabei auf römisch-gallisches Provin-
zialrecht. Wald, Heide, Ödland aber auch Gewässer und einzelne Nutzungsrechte werden so
dem Rechtsbegriff Forst unterworfen. Damit können in eingeforsteten Gebieten Jagd, Fischfang
, Holzung und jede andere Art von Nutzung nur mit Genehmigung des Königs oder des
von ihm Beauftragten geschehen. Der König nutzt das Instrument der Einforstung auch als Mittel
der Territorialpolitik und ökonomischen Entwicklung, etwa zur Besiedlung durch Vergabe
von Rodungsflächen oder durch Anlage von Krongütern (domänenartige Musterbetriebe).
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