Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 113
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0127
Revolution und Untertanenprozeß um »freie Pürsch« und »Forst«

nach altem Brief aber geleistete Frongeld sollten sie zusätzlich weiter entrichten. 34 Bürger,
die eine Anerkennung verweigerten, ließ er in den Turm auf dem Hohenzollern werfen, einer
von ihnen sollte unter ihnen ausgewürfelt werden und hangen, so sie nicht unterzeichnen.
Unter dem Druck dieser Umstände stimmte die ganze Gemeinde zu.

Nach kurzer Zeit aber rief die so vergewaltigte Gemeinde Owingen das Reichskammer-
gericht in Wetzlar an, das unter dem Habsburger Kaiser Maximilian L 1495 auf dem Reichstag
zu Worms eingerichtete oberste Gericht des deutschen Reiches, vergleichbar heute etwa dem
Bundesverfassungsgericht. Das Gericht entschied recht bald. So brutal die Rechtsverletzung
des Fürsten war, so eindeutig war der Gerichtsbefehl, den alten Rechtszustand in Owingen
wieder herzustellen. Dies sollte für die weiteren Entwicklungen von weitreichender Bedeutung
sein.

Im Jahre 1700 traten, durch dieses Urteil ermutigt, sämtliche zollerischen Gemeinden, mit
Ausnahme von Boll und dem in Exklave gelegenen Wilflingen zusammen und wählten als ihre
geheime Vertretung die sogenannte Landschaft. Sie schworen sich, einander schadlos zu halten
und mit Leib, Gut und Blut einander zu helfen.

Sie reichten geschlossene Klage gegen ihren Fürsten beim Reichskammergericht in Wetzlar
ein. In der 16 Punkte umfassenden Beschwerde waren Hauptklagepunkte das Verbot der
»freien Pürsch« und die auferlegten Jagdfronen. Die anderen Punkte betrafen eine Reihe von
konkret genannten Abgaben und Lasten, unter anderem das Hagestolzenrecht, die Leib- und
Rauchhennenabgabe und die Schafweidenproblematik. Diese als Untertanenprozeß in die Justizgeschichte
eingegangene gerichtliche Auseinandersetzung sollte fast 100 Jahre andauern.
Sie wurde von revolutionärem Widerstand begleitet, der in seiner Dramatik die bisherigen
Aufstände übertraf, so daß der totale Untergang der Grafschaft drohte.

Die Tragik der Entwicklung war:

1. Das Reichskammergericht erließ erst 1731, nach dreißigjähriger Prozeßdauer, eine erste
sachliche Gerichtsentscheidung. Mit ihr wurde den Untertanen rechts der Starzel die »freie
Pürsch« eingeräumt, um sie im Restitutionsurteil von 1768 nach weiteren 37 Jahren ein für
allemal abzuerkennen.

2. Das Reichskammergericht hatte keine Exekutionsgewalt, seine Urteile und Zwischenbescheide
gegen den Willen des Landesherrn durchzusetzen. Es war ein reines Spruchorgan.

3. Der Landesherr schaltete frühzeitig das 2. oberste Reichsgericht, den Reichshofrat in Wien
ein. Dieser erließ nicht mit dem Reichskammergericht abgestimmte, teils diesem widersprechende
Entscheidungen, die vor allem die innere Sicherheit, die Aufrechterhaltung der
Ordnung und die Stärkung der Landeshoheit betrafen.

Die permanente Anarchie veranlaßte den Schwäbischen Kreis, auf Bitten des Kaisers, immer
wieder Exekutionstruppen in das Fürstentum zu führen. Schon bald nach Prozeßbeginn
(1700) kam es landesweit zu erneuten Revolten. Die Gemeinden jagten teilweise gemeinsam in
der freien Pürsch, ja sogar im Forst. Vom Killertal wird berichtet, wie an den Fronleichnamsprozessionen
provokativ geschossen wurde. Salven, von erhöhten Punkten abgefeuert, gaben
den Gemeinden des Tales das Signal zum Aufbruch zur Jagd. Meist stand am Beginn solcher
Jagden ein Gebet. Damit erflehten die Jagenden nicht nur die Hilfe Gottes, sondern drückten
aus, daß sie die Rechtmäßigkeit ihres Tuns aus dem Evangelium ableiteten. Der Bauernkrieg,
den Blickle (3) als einen Kampf des »Biblizismus gegen den Feudalismus« bezeichnet, findet
hier mehr als 175 Jahre später in Zollern eine Parallele.

Es kam zu Schießereien mit den fürstlichen Jägern. Aus einem dunklen Tannenbusche, so
wird berichtet, wurde auf den Fürsten selbst schelmenhaft und mörderisch geschossen. 1701
flüchtete der Fürst vor empörten Untertanen in sein Schloß (Schlößle) nach Burladingen.

Den Strafmaßnahmen der immer wieder ins Land geholten Truppen des Schwäbischen
Kreises wichen die Dörfer oft durch Flucht ins Ausland aus, nachdem sie vorbeugend wertvollere
Gegenstände bereits dort deponiert hatten. Außer dem schon erwähnten Austritt der
Owinger von 1584, traten 1701 Bürger aus allen Gemeinden, 1706 die Burladinger, 1732 die

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