Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 118
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Wolfgang Schaffer

Erst das humanitäre Gedankengut der Aufklärung und die besonders in England und
Frankreich wirksamen Traditionen einer liberaleren Irrenpflege, um einen zeitgenössischen
Terminus aufzunehmen, schließlich der im Gefolge der Französischen Revolution durchgeführte
Versuch einer Teilhabe auch der Irren an den neuen Freiheiten der »Menschenrechte«,
trugen zu einer »Entdeckung« des Irren als (geistes)krank überhaupt erst bei. Diese Entwicklungen
führten zu einem langsamen Umbruch des Umgangs mit dieser speziellen Personengruppe4
. Auch die Geisteskranken sollten fortan in den Genuß von Humanitätsfortschritten
kommen und einer menschenwürdigen Behandlung unterzogen werden, welche wiederum in
speziellen Anstalten erfolgen sollte. Eine Welle von Anstaltsneubauten oder auch Adaptionen
bestehender Gebäude - nach der Säkularisation harrte zum Beispiel eine Vielzahl ehemaliger
Klosterkomplexe einer neuen Nutzung - zeugen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
sowohl von dem Optimismus, den Menschen aus seiner Unmündigkeit herausführen zu
können, wie auch von dem »Mythos der Heilbarkeit« von Geisteskranken5.

Diese Entwicklung setzte sich allerdings in den einzelnen deutschen Staaten keineswegs
zeitgleich und mit gleicher Intensität durch. Einen deutlichen Vorsprung hatte in dieser Hinsicht
das Herzogtum Württemberg: Bereits 1746 war in Ludwigsburg in Anlehnung an das
dortige Zucht- und Arbeitshaus ein »Tollhaus« gegründet worden, dessen Patienten 1812 in
die neu errichtete Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten verlegt wurden. Darüber hinaus richtete
der für die frühe »psychische Wissenschaft« bedeutende Arzt Johann Heinrich Ferdinand Au-
tenrieth in dem 1805 neu errichteten Tübinger Universitätsklinikum ein Zimmer zur stationären
Behandlung geisteskranker Patienten ein6. Die württembergischen Anstalten in
Zwiefalten und in Winnenthal (gegr. 1834), sowie dann auch jene im badischen Illenau (gegr.
1842) wurden in den Folgejahren zu in ganz Deutschland bekannten Modelleinrichtungen7.
Allerdings gilt für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, daß insbesondere die frühen Anstaltsgründungen
»quasi frühe psychiatrische Modellversuche« waren: Das Bild der psychiatrischen
Landschaft wurde bunter, aber es hellte nicht auf*.

2. DIE »IRRENANSTALT« HORNSTEIN

Es kann allerdings auch nicht verwundern, daß die beiden kleinen und zudem rein agrarisch
geprägten hohenzollerischen Fürstentümer gegenüber solchen Entwicklungen in den großen
Nachbarstaaten deutlich zurückstanden. Im Zuge der Ausbildung der Flächenstaaten und der
damit einhergehenden Notwendigkeit einer verwaltungsmäßigen Durchdringung aller Le-

4 Vgl. zu diesem geistesgeschichtlichen Umbruch bes. Klaus Dörner: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte
und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. Frankfurt 1969, sowie die Untersuchungen von
Blasius (vgl. Anm. 3), und Ders.: »Einfache Seelenstörung«. Geschichte der deutschen Psychiatrie
1800-1945. Frankfurt 1994.

5 Vgl. Blasius, Ambivalenzen (wie Anm. 3), S. 258.

6 Vgl. Otto-Joachim Grüsser: Vom »Tollhaus« in Ludwigsburg zur Königlichen Heilanstalt Winnenthal
. Psychiatrie in Württemberg im Spannungsfeld von Aufklarung und Romantik. In: Baden und Württemberg
im Zeitalter Napoleons, Bd. II. Stuttgart 1987, S. 373-410.

7 Vgl. z. B. Gerhard Lötsch: Christian Roller & Ernst Fink. Die Anfänge von Illenau. Achern 1996;
Rolf Halemeyer: Die Pflege und Behandlung Geisteskranker im »Waisenhaus« zu Pforzheim um die
Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gründung der Anstalt Illenau. Diss. Freiburg 1966; Clemens Beck: Die
Geschichte der »Heil- und Pflegeanstalt Illenau« unter Chr. Fr. W. Roller (1802-1878). Diss. med. Freiburg
1984; A. Landenberger: Die Irrenpflegeanstalt Zwiefalten und ihre Leistungen. Diss. Tübingen
1863; Günther Bittel: Entwicklung und Wirkung der Heilanstalt Winnenthal. Zur Anwendung der historischen
Methode in der Psychiatrie. Diss. med. Freiburg 1981.

8 Blasius, Umgang (wie Anm. 3), S. 96.

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