Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 130
(PDF, 85 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0144
Wolfgang Schaffer

Auf diesem Hintergrund ist die oben angeführte und kaum zur amtlichen Kritik Anlaß
gebende Angabe über die Qualität der Unterbringung zu relativieren. In Anbetracht der im
allgemeinen zu konstatierenden beschwerlichen Lebensverhältnisse der ländlichen Bevölkerung
Hohenzollerns werden auch die geisteskranken Familienmitglieder eher mehr denn
weniger darunter zu leiden gehabt haben.

Parallel zur Familienpflege zeigt allerdings auch die Entwicklung der Anstaltspflege ihre
besonderen Akzente, wie dies die Frequenz der Gesamtzahl verpflegter Irrer im Landeskrankenhaus
Sigmaringen nachweist83 (das obere Feld benennt das Jahr, das untere die Anzahl
der Patienten):

1854

1855

1856

1857

1858

1859

1860

1861

1862

1863

26

36

31

48

47

42

49

50

52

50

1864

1865

1866

1867

1868

1869

1870

1871

1872

1873

56

57

65

51

56

51

56

76

83

76

1874

1875

1876

1877

1878

1879

1880

1881

1882

1883

80

77

77

86

84

78

76

72

69

69

1884

1885

1886

1887

1888

1889

1890

1891

1892

1893

73

76

71

83

80

91

85

89

84

93

1894

1895

1896

1897

1898

1899

1900

1901

1902

1903

98

105

113

114

117

133

133

136

150

150

1904

1905

1906/07

1907/08

1908/09

1909/10

1910/11

1911/12

1912/13

1913,

158

167

167

198

212

200

197

203

200

211

Die Zahlen dokumentieren insgesamt eine gewisse Konstanz der Entwicklung, wobei die
großen Sprünge im Jahre 1857 und 1871 sowie im Jahr 1877 bereits in den zeitgenössischen
Jahresberichten darauf zurückgeführt werden, daß die Fertigstellung neuer Bauten jeweils
einen zeitweiligen Einweisungsschub nach sich zog84. Der insgesamt sehr starke Anstieg der
Zahlen in den Folgejahren wird hier nicht weiter erklärt, dürfte jedoch auf den allgemeinen
Anstieg der Bevölkerung im Regierungsbezirk sowie auf den weiteren Ausbau der Anstalt
zurückzuführen sein. Darüber hinaus dürften sich auch die allgemeinen gesellschaftlichen
Entwicklungen der Kaiserzeit hier niedergeschlagen haben: Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
ist gekennzeichnet durch einen forcierten Ausbau der psychiatrischen Infrastruktur,
die sich naturgemäß auch auf die Höhe der Anstaltspopulation auswirkte. Darüber hinaus ist
darauf hinzuweisen, daß der in Preußen zu beobachtende »Irrenboom« am Ende des 19. und
Anfang des 20. Jahrhunderts sich weniger als ein Problem sozialpathologischer Metastasenbildung
als der bürokratischen Erfassung von Sozialpathologies> darstellt. Seit den 1890er
Jahren verschärfte die Bürokratie in Preußen ihren Zugriff auf das Irrenwesen. Dies gilt für
Preußen in ganz besonderem Maße, in ähnlicher Weise aber auch für die südwestdeutschen
Staaten86. Auf diesem Hintergrund ist auch der »Hospitalisierungsschub« in Hohenzollern
zu sehen.

83 Die Angaben aus den »Aerztlichen Jahresberichten«.

84 Vgl. »Aerztlicher Jahresbericht über das Fürst-Carl-Landesspital zu Sigmaringen im Jahre 1882« S. 3f.

85 Dirk Blasius, Psychiatrische Versorgung in Preußen 1880-1910, in: Ders.: Umgang mit Unheilbarem
. Bonn 1986, S. 57-79, hier S. 63.

86 Vgl. Blasius, Seelenstörung (wie Anm. 4), S. 61ff., bes. S. 78-79.

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