Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 131
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0145
Geisteskranken-Fürsorge in Hohenzollern im 19. Jahrhundert

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß das »Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz
« vom 16.4.1871 mit der Übertragung der Armenfürsorge an die Gemeinden als Ortsarmenverbände
diese nunmehr verpflichtete, ggf. jedem Hilfsbedürftigen die erforderliche
Pflege in Krankheitsfällen zu gewähren. Diese Bestimmung führte zu einem starken Impuls in
Richtung auf eine Fortentwicklung des Krankenhauswesens - und damit auch zu einer zunehmenden
Inanspruchnahme gerade solcher Einrichtungen seitens der armen Bevölkerung87.
Das Sigmaringer Landeskrankenhaus blieb von solchen Entwicklungen wohl kaum
unberührt. Zwar stellte Hohenzollern nicht ein durch Industrialisierung, Urbanisierung und
rapides Bevölkerungswachstum charakterisiertes Gebiet dar - Faktoren, die einen Teil der
Bevölkerung, der mit diesen gewaltigen sozialen Umbrüchen psychisch nicht fertig wurde, zu
Patienten der Heil- und Pflegeanstalten werden ließ88 -, doch dürfte das Land zumindest am
Rande auch von den negativen Folgen nicht unberührt geblieben sein. Blasius ist in seiner
Analyse dieser Umbrüche so weit gegangen, das 19. Jahrhundert als das Jahrhundert der
Vergitterung des Wahns zu nennen89 und hat hiermit eben das Phänomen umschrieben, daß
psychisch Kranke zunehmend hinter Anstaltsmauern verbannt wurden, um eine bürgerliche
Leistungskultur außerhalb der Mauern störungsfrei aufbauen zu können. Eine auf polizeiliche
Kontrolle und Segregation der Geisteskranken weitgehend fixierte Position der politischen
Instanzen kam diesem Trend dabei nur entgegen. Inwieweit sich allerdings auch die Irrenanstalt
beim Landeskrankenhaus in Sigmaringen in dieses Bild nahtlos einfügen läßt, wird sich
endgültig erst deutlich erweisen lassen, wenn die Patientenakten im Hinblick auf die dort
dokumentierten Krankheitsbilder eingehend untersucht sein werden.90

87 Vgl. Alfons Labisch: Das Krankenhaus als »volkshygienische Aufgabe der Städte«. In: Anknüpfungen
. Gedenkschrift für Peter Hüttenberger. Essen 1995, S. 154-169, hier S. 158f.

88 Vgl. hierzu z. B. Blasius, Ambivalenzen (wie Anm. 3), S. 261; Ders., Ausgestoßen? (wie Anm. 3),
S. 3-4.

89 Blasius, Ausgestoßen? (wie Anm. 3), S. 2.

90 Hier sei besonders verwiesen auf die im Kreisarchiv Sigmaringen liegenden Patientenbücher mit Diagnosen
, die für diesen Zweck eine hervorragende Quelle darstellen, vgl. KreisA Sigmaringen XIV: Landeskrankenhaus
/Kreiskrankenhaus Ablieferung 1992/20 Nr. 8-11.

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