Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 216
(PDF, 85 MB)
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Edwin Ernst Weber

Dann kommt die Frau zum Essen und die kleine 10jährige Tochter. Nachher gehts so weiter,
wie es in jedem Haushalt ist, spülen und stopfen usw. und außerdem das kleine Kind. Es ist sehr
gemütlich, und ich fühle mich äußerst wohl. Die Frau ist immer sehr nett zu mir, tut jeden Tag
1 - 2 l Milch (das einzige außer Brot und Gesälz, das sie reichlich haben, sonst sind sie arm) für
mich zurück und ist überhaupt rührend besorgt. Nur schade, daß bald gewechselt wird. Ich
hätte es die restlichen 5 Wochen schon noch dort ausgehalten.

Bei dem von Sophie Scholl versorgten kleinen Kind handelt es sich um den am 4. März
1941 geborenen und im August damit gerade fünf Monate alten Wilhelm Krall, der noch
heute in Krauchenwies ansässig ist, bei seiner damals zehnjährigen Schwester um die 1931
geborene Josefine Wolfsturm geb. Krall, die heute in Bingen verheiratet ist und noch konkrete
Erinnerungen an Sophie Scholl hat. Sie sei ein ruhiges, nettes Mädchen gewesen, das gerne
bei der Familie Krall war und fleißig im Haushalt mitgeholfen habe. In besonderer Erinnerung
ist Josefine Wolfsturm das Talent der jungen Ulmerin im Umgang mit Kindern geblieben
, nie sei ein böses Wort gefallen. Mit der Mutter Agathe Krall pflegte Sophie Scholl offenbar
einen besonders vertrauensvollen Umgang, öfters habe sie von ihrem Bruder Hans erzählt
und sich auch kritisch über den seit Juni 1941 mit dem deutschen Uberfall auf die
Sowjetunion ausgeweiteten Krieg geäußert. Nach dem Weggang von Sophie Scholl aus Krauchenwies
hat nach den Erinnerungen von Josefine Wolfsturm kein Kontakt mehr zur Familie
Krall bestanden, bei einem späteren Besuch der Mutter Agathe Krall in Ulm, wo zu dieser
Zeit Wilhelm Krall im Militärdienst war, habe diese Sophies Elternhaus am Münsterplatz besuchen
wollen. Davon sei ihr aber von Leuten dann abgeraten worden, die um das Schicksal
der am 22. Februar 1943 hingerichteten Widerstandskämpferin wußten. Sie selbst, Josefine
Wolfsturm, sei ganz erschüttert gewesen, als sie später vom Schicksal Sophie Schölls erfahren
habe30. Nachweisen läßt sich der Einsatz der »Arbeitsmaiden« bei der in einem kleinen
Häuschen, am Standort der heutigen Postfiliale gegenüber dem Rathaus ansässigen Familie
Krall auch in den Arbeitsdienst-Nachweisen des RAD-Lagers aus dem Jahr 1941. In den untersuchten
Abrechnungen von Mai bis September 1941 ist stets auch die Familie Krall mit
Einsatzumfängen zwischen 23 und 28 Tagwerken vertreten31. Die für den Monat August
1941 für die Familie Krall vermerkten 28 Tagwerke, für die ein Aufwandsbeitrag von
8,40 RM abgerechnet wird, wurden mithin wohl ganz oder zumindest überwiegend von
Sophie Scholl geleistet. Den Erinnerungen von Josefine Wolfsturm zufolge waren nach der
Geburt des kleinen Bruders zur Unterstützung der allein die Landwirtschaft versorgenden
Mutter über insgesamt eineinhalb Jahre RAD-Arbeitsmaiden aus dem Lager in ständigem
Wechsel in der Familie beschäftigt32.

Auf einer ihrer Außendienststellen lernt Sophie Scholl im Sommer 1941 einen französischen
Kriegsgefangenen, einen Fabrikarbeiter, kennen, mit dem zusammen sie einen ganzen
Tag lang Holz sägen muß33. Dabei sprechen sie auch über Politik und Krieg und stellen fest,
daß ihre Ansichten gar nicht weit auseinander lagen. Neben den dienstverpflichteten
»Arbeitsmaiden« werden seit Kriegsbeginn in zunehmender Zahl auch Kriegsgefangene und
alsbald auch mit Versprechen und Zwang geköderte ausländische »Zivilarbeiter« aus den von
Hitler-Deutschland besetzten Nachbarländern als Arbeitskräfte vor allem in der Rüstungsindustrie
sowie der Landwirtschaft im Reich eingesetzt, um die durch den Kriegseinsatz der
Männer gerissenen Beschäftigungslücken notdürftig zu schließen. Nach Krauchenwies, wo
Ende 1941 bei einer Gesamtbevölkerung von weniger als 1100 Einwohnern bereits 123 Män-

30 Zeitzeugenbefragung Josef ine Wolfsturm geb. Krall (wie Anm. 29).

31 GA Krauchenwies, Rechnungsbeilagen 1941/11.

32 Zeitzeugenbefragung Josef ine Wolfsturm geb. Krall (wie Anm. 29).

33 Hermann Vinke: Das kurze Leben der Sophie Scholl. Ravensburg 1987, S. 91.

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