Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 228
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0242
Ute Weidemeyer-Schellinger

3.1. »MAN HAT JA WIEDER EINE DORFGEMEINSCHAFT GEBRAUCHT« -
ÖFFENTLICHES LEBEN-

Einige Zeit vor dem Einmarsch der französischen Besatzer war das öffentliche Leben der
Gemeinde Burladingen weitgehend zum Erliegen gekommen. Der stellvertretende Bürgermeister
und die Gemeindeverwaltung konnten nicht mehr ihren gewohnten Aufgaben nachgehen
, hatten sie doch aufgrund der bevorstehenden Besetzung alle Hände voll zu tun, um
die geplante Evakuierung zu verhindern und eine kampflose Übergabe der Gemeinde zu
erreichen. Nach dem Einmarsch war es vor allem der Bürgermeister, den die Franzosen als
Bezugsperson auswählten und der die Verhandlungen mit der örtlichen Besatzungsbehörde
zu führen hatte. Im Anschluß an die Genehmigung einer Gemeindevertretung traten die politischen
Parteien allmählich wieder in Erscheinung, obwohl »da niemand so richtig mitmachen
wollte«288.

Die französische Besatzungsmacht war 1945 stärker als die übrigen Alliierten auf dem
Gebiet der Kultur- und Schulpolitik ambitioniert289, das in deutlichem Zusammenhang mit
der von den westlichen Besatzungsmächten erklärten Absicht, Deutschland umzuerziehen,
zu betrachten ist. Der Begriff Umerziehung und die damit verbundenen Forderungen der
französischen Militärregierung waren im Jahr 1945 jedoch keineswegs allen Deutschen
bekannt. Die Menschen in den ländlichen Gebieten erinnern sich heute, daß man davon in
kleineren Landgemeinden nichts gehört hat und solche Richtlinien wohl auf die Städte
beschränkt geblieben waren.

Obwohl die Bevölkerung in der französischen Zone in zahlreichen Veranstaltungen nach
Kriegsende mit Dokumentarfilmen, die zum Zweck der Re-Education gefertigt waren, über
die Greuel der Nazizeit informiert wurde, scheint dies - so jedenfalls die heutige Erinnerung -
in Burladingen nicht der Fall gewesen zu sein. »Also, da hab' ich nichts mitgekriegt, vielleicht
in den Städten«290. »Da weiß ich jetzt nichts. Ich meine, es gab ja zwei Kinos. Aber da kann ich
mich jetzt nicht erinnern. Das war vielleicht eher in den Städten der Fall. Hier ist es dann eben
doch noch dörflich gewesen«291. »Da ist mir nichts bekannt. Ich meine, das ist natürlich gang
und gäbe gewesen, in der Presse und im Radio und überall hat man einem das ja dauernd vorgehalten
, wie schlecht man war und so weiter. Man hat eben dauernd Reue und Leid erwecken
müssen. Ich weiß auch nicht mehr so genau, in welcher Form. Man hat's einem eben dauernd
auf's Brot geschmiert. Und das hat man wahrscheinlich auch müssen wegen dem Ausland.
Irgendwie mußte man das schon ein bißchen deutlich machen«292.

Die Schule wurden im Herbst 1945 wieder geöffnet, der Unterricht war in der ersten Zeit
von verschiedenen französischen Reformen geprägt, die jedoch nach dem Abzug der Franzosen
wieder revidiert wurden. Außerdem begann das kulturelle Leben der Gemeinde sich
wieder zu entwickeln, die Vereine wurden erneut ins Leben gerufen, es fanden Kino- und
Theatervorstellungen statt. Mit diesen Entwicklungen waren die ersten bedeutenden Schritte
hinsichtlich einer aufstrebenden dörflichen Gemeinschaft getan.

3.1.1. »MAN WAR JA NICHTS ANDERES ALS EIN BEFEHLSEMPFÄNGER«
Kurz nach der Besetzung einer Kommune ließ der zuständige Offizier der Militärregierung
die örtlichen Honoratioren - dies waren zunächst der Ortsgeistliche, die Lehrerschaft, soweit
sie nicht nationalsozialistisch belastet war - und einige andere Bürger zu sich kommen und

288 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

289 Vgl. Gerd Friedrich Nüske: Schulen und Schulfrage. In: Gögler, Richter (wie Teil I, Anm.
123), S. 293.

290 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

291 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

292 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

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