Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 234
(PDF, 85 MB)
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Ute Weidemeyer-Schellinger

lung der neuen Gemeinderäte führen. (...) Mit den Gemeinderäten wurden auch am selben Tag
die Bürgermeister in freier Wahl gewählt. Dabei wurden die nach dem Krieg von der Militärregierung
eingesetzten Bürgermeister in den meisten Gemeinden in ihrem Amt bestätigt«316.

Insgesamt war das Interesse der Bevölkerung an politischen Parteien, auch in ländlichen
Gebieten, äußerst gering. Politik und politische Parteien, die von der Militärregierung zugelassen
worden waren, standen nach der Hitlerdiktatur und dem verlorenen Krieg verständlicherweise
nicht besonders hoch im Kurs. In den Gesprächen, in denen das Thema »Politische
Entwicklung in der Nachkriegszeit« nur bei konkreter Fragestellung angesprochen wurde, es
nicht zum >Repertoire der Erinnerung< hinsichtlich der Besatzung zu gehören scheint, findet
die These, daß man in einer Landgemeinde wie Burladingen nach dem Krieg nichts von Politik
oder gar einer Mitgliedschaft in einer politischen Partei wissen wollte, Bestätigung. Niemand
aus der Bevölkerung wollte so schnell wieder Mitglied einer politischen Organisation oder
Vereinigung werden, nachdem vielen die vorhergehende nationalsozialistische Mitgliedschaft
sozusagen >zum Verhängnis< geworden war. Die verständliche >ohne mich<-Haltung war
typisch für die politische Landschaft der Nachkriegszeit.

Zweifelsohne sah man sich in den Gemeinden und Städten jedoch auch mit genügend anderen,
wichtigeren Aufgaben und Problemen konfrontiert und hatte keine Zeit, möglicherweise auch
keine Gelegenheit, sich mit der politischen Entwicklung zu beschäftigen. Und ist neben dem Beruf
und Familienleben dann noch Zeit geblieben, haben sich viele eher einem Verein angeschlossen
, anstatt sich politisch zu betätigen. »46 sind die politischen Parteien wieder aufgekommen. Da
hat man sich aber ordentlich zurückgehalten. Ich weiß noch, mein Mann ist 46 in die CDU eingetreten
, und anfangs war's also mühsam, Mitglieder zu kriegen. Jeder hat sich zurückgehalten,
obwohl die natürlich andere Ziele gehabt haben. Mein Mann ist ja in Hechingen in die CDU eingetreten
. Hier gab's ja nur einige, die mitgemacht haben. Aber man hat ja natürlich schon gewußt,
daß die andere Ziele verfolgen. Die SPD gab's, glaube ich, ein bißchen später«317. »Die sind langsam
und erst spät wieder aufgekommen. Die haben sich dann Freie Demokraten genannt, das war
eben eine freie Wählervereinigung. Die anderen haben dann CDU geschrieben, und Sozialdemokraten
gab's dann auch wieder. Es waren nicht viele Mitglieder in den Parteien. Burladingen hat ja
nicht einmal einen eigenen CDU-Vorstand gehabt. Parteimäßig war hier nach dem Krieg nicht
viel los. Von den Jungen hat keiner mitgemacht, und die Alten waren dann schon fast zu alt. Das
hat sich dann erst mit der Zeit so ergeben. Da wollte niemand so richtig mitmachen, denn da hat
jeder die Nase voll gehabt. Jeder hat gesagt, einmal Partei und nie wieder. Nachdem man ja dann
den Krieg verloren hatte, hat jeder auch andere Ambitionen und andere Arbeit gehabt. Dann ist
man jeden Tag in die Fabrik von morgens um sieben bis abends um sechs. Und am Samstag, wenn
man nicht gearbeitet hat, mußte man auf's Feld oder in den Wald oder irgendwie so etwas. Oder
man hat gebaut. Ja, da hat jeder soviel zu tun gehabt, da hat man für so etwas (Parteien, d.V.) gar
nichts übrig gehabt. Man ist dann höchstens im Musik- oder Gesangverein gewesen, oder verschiedene
haben auch noch geturnt«318. »Vor 47 sind die politischen Parteien hier bestimmt nicht
aufgekommen. Das waren die traditionellen Parteien CDU, SPD, FDP - DVP hat's geheißen -
und die KPD auch. Die gab's hier alle auch. Die KPD ist ja dann auch schnell verschwunden, die
haben's ein bißchen übertrieben. Die haben der Bevölkerung auch ein bißchen Angst gemacht
und auch teilweise bei den Franzosen denunziert. Das ist dann eben publik geworden, und dann
war's eben dann schon aus. Mit der Mitgliedschaft hat man sich also sehr zurückgehalten. Ich
weiß nicht, wie sich das entwickelt hat. Das ist sehr zögerlich vorangegangen. Das ist ja auch
verständlich, oder nicht? Jeder hat gesagt, ich mache mit, ich schaffe und alles, aber mein Name
erscheint auf keiner Mitgliederliste, sonst geht es mir nachher wieder so«319.

316 Speidel (wie Teil 1, Anm. 133), S. 257.

317 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

318 Interview mit Herrn D. am 9.4.1991.

319 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

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