Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 240
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0254
Ute Weidemeyer-Schellinger

ha: sie ein paar Jahre in eine andere Gemeinde versetzt, und dann sind sie wiedergekommen.
Das ebbt ja immer wieder ab, das geht ja schnell vorbei«349. »Das wüßte ich jetzt nicht, daß die
Lehrerin von Lassaulx entnazifiziert worden wäre. Die war ja erzkatholisch. Das hätte ich auch
gar nicht für möglich gehalten, weil die doch im Krieg und in der ganzen Hitlerei immer wieder
angerempelt wurde, weil sie eine zu einseitige katholische Haltung gehabt hat. Die hat sie auch
gezeigt. Ihr Bruder war ein ganz prominenter katholischer Geistlicher. Und sie hat das also auch
nie verheimlicht. Und sie hat vielleicht keine großen Schwierigkeiten gehabt, hat aber immerhin
im Beamtenverhältnis immer wieder einen Rüffel gekriegt. Deshalb wundert es mich, wahrscheinlich
ist sie auch von jemand angeschwärzt worden«350.

Im Gegensatz zu diesen Äußerungen glaubt ein Gesprächspartner sich an die NSDAP-
Mitgliedschaft der Pädagogin zu erinnern und gliedert sie in die Reihe der belasteten Lehrer
ein. »Die Lehrerin von Lassaulx war genauso schlimm. Die ist doch nachher auch so in die
Kirche gegangen. Soviel ich weiß, ist sie in der Partei gewesen«351.

Heute erscheint es vollkommen unverständlich, daß das männliche Lehrpersonal Parteimitglied
werden >mußte<, um seine Stellung behalten zu können, während die weiblichen
Lehrkräfte demgegenüber auch ohne Mitgliedschaft geduldet wurden. Weshalb hat die Lehrerin
, insbesondere auch aufgrund ihrer Schwierigkeiten mit der Partei, ohne NSDAP-
Zugehörigkeit Unterricht erteilen dürfen, während andere Lehrer anscheinend zum Beitritt in
die Partei gezwungen wurden? Der Realität entspricht wohl eher die Tatsache, daß sie ebenso
Parteimitglied war wie alle anderen Pädagogen; die >gefilterten< Erinnerungen entsprechen
den Bruchstücken der Vergangenheit, die im Gedächtnis behalten werden und heute - wenn
überhaupt - in Verbindung mit der Gegenwart rekonstruiert werden. In den Deutungszusammenhang
der Zeitzeugen/innen, daß man als Lehrer in die Partei >mußte<, gehört - scheinbar
widersprüchlich - das relativierende Bild, daß es in Burladingen eben auch andere gegeben
hat. Ein für die dörfliche Gemeinschaft ausgestellter Persilschein nach einem ersten, vielleicht
unterbewußten, anklagenden Moment!

Die von der Militärregierung intendierte Umerziehung des deutschen Volkes wäre freilich
unvollständig geblieben, wenn sie sich im Bereich des Schulwesens mit den geschilderten Maßnahmen
auf personellem Gebiet begnügt hätte. »Nationalsozialismus und Militarismus hatten
nach Ansicht der Militärregierung auch in der Zielsetzung, der Didaktik, der Methodik und der
Organisation des Unterrichts ihren Niederschlag gefunden. Eine Reform der Bildungsziele
und der Lehrpläne schien dringend geboten. Es galt, die Unterrichts- und Erziehungsarbeit auf
einer neuen Grundlage, frei von den Lehren des Nationalsozialismus und des preußisch-deutschen
Militarismus aufzubauen. Deshalb untersagte die Militärregierung schon vor Wiederbeginn
des Unterrichts an den Schulen jegliche, selbst die private Weiterverwendung der nach
1933 gedruckten Lehrbücher und ordnete eine weitgehende Beschränkung des Fächerkanons
an: Der Geschichtsunterricht wurde ebenso wie der Unterricht in Erdkunde und Biologie
vorübergehend verboten oder zumindest erheblich eingeschränkt, die Stundenzahl für
Leibesübungen - ein »militärisches Unterrichtsfach« - erheblich gekürzt. Aus allen anderen
Unterrichtsfächern war alles zu beseitigen, was auch nur entfernt an die Lehren des Nationalsozialismus
, an Rassismus, Militarismus und Geopolitik erinnerte«352.

Nachdem die bis 1944 erschienenen Schulbücher beschlagnahmt und seit September 1945
zur Zensur nach Baden-Baden geschickt worden waren, wurden 63 Prozent dieser Bücher
zur Wiederverwendung zugelassen, vereinzelt mit der Auflage, einige Seiten zu entfernen.
Ein wichtiger Bestandteil der Schulpolitik stellte nun die Produktion neuer Schulbücher

349 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

350 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

351 Interview mit Herrn E. am 21.3.1991.

352 Winkeler (wie Anm. 322), S. 26.

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