Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 255
(PDF, 85 MB)
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»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burlaclingen (1945-1948)

kaufen gibt. Dann habe ich Stoff für zwei Anzüge für mich und Stoff für zwei Mäntel für meine
Schwestern gekriegt und dann noch, ich glaube für Kleider. Auf jeden Fall war mein Koffer
wieder voll mit Stoff, und so bin ich heimgefahren«4'3.

Nachdem die Tauschaktion erfolgreich abgeschlossen war, wurden die beiden Burladinger
auf der Rückfahrt erneut von den Franzosen kontrolliert. »Und auf dem Heimweg wieder in
Bempflingen - da war ja die Grenze von der amerikanischen zur französischen Zone - sind sie
hereingekommen, und dann mußte mein Kumpel seinen Koffer aufmachen. Und der hat ja
praktisch nichts drin gehabt, seine Wäsche und seine Kleidung, die man dabei gehabt hat. Ja,
haben Sie nichts? Nein, er hat nichts. Dann habe ich gedacht, das kann doch nicht sein, wo hat
denn der seinen Stoff? Der hat auch Stoff gehabt für zwei Anzüge, ganz feinen englischen
Stoff. Weiß der Teufel, wo der den hergebracht hat. Und der war nirgends. Als wir wieder
weitergefahren sind, habe ich ihn gefragt, wo er seinen Stoff hat. Dann hat er gesagt: Hast du
denn das nicht gemerkt, ich bin doch auf die Toilette hinaus. Jetzt hat er den Stoff eingepackt,
hat ihn mit auf die Toilette und hat ihn um den Bauch gewickelt. Und dann ist er so da gesessen
und hat seinen Koffer inspizieren lassen. Und deshalb ist uns beiden nichts passiert. Ich
habe dann gesagt, das ist das erste und das letzte Mal. Und das war auch das letzte Mal. Als wir
heimkamen, ist der Bruder meines Kumpels - der war bei der Stadtverwaltung angestellt -
heimgekommen und hat gesagt: Am Sonntag ist Währungsreform. Herr A., Sie müssen
gucken, daß Sie daheim sind, sonst kommen Sie gar nicht mehr hin. Wir haben ja kein Geld
gehabt. Man wußte ja gar nicht, wie das geht. Ich wollte sowieso am Sonntag oder Montag
heimfahren, dann sind wir eben am Freitag heimgefahren. Man hat ja den ganzen Krieg hindurch
fast nichts mehr kaufen können. Schuhe, alles war ja in der Landwirtschaft verbraucht,
man hat ja nichts mehr gehabt. Und dann haben die Leute eben geguckt, Schuhe hat man auch
gehamstert. Zum Essen eigentlich weniger, aber man hat eben geguckt, was man so gekriegt
hat. Und das war hier gang und gäbe. Aber dorthin ist kein Mensch zum Hamstern gefahren.
Das war nur deshalb, weil ich dort einen Kriegskameraden gehabt habe und mein Kumpel in
Herne einen Tauschpartner gehabt hat. Das war schon ein bißchen geschäftlich aufgezogen.
Und er hat gesagt, du gehst einfach mit. Ich habe wohl ein bißchen Angst gehabt unterwegs.
Ich weiß nicht, wo man in Burladingen Stoff hätte herkriegen sollen. Für Oberbekleidung hat
es hier in der Umgebung wahrscheinlich nichts gegeben. Aber zu essen hat man auf der Alb
oben holen können, Schnaps haben sie am Bodensee geholt und haben den wieder eingetauscht
gegen Ware hier«414.

Was geschehen konnte, wenn die Besatzungstruppen Deutsche mit gehamsterten Waren
angetroffen haben, erzählt eine Burladinger Informantin: »Da hat mein Mann in München
Reifen geholt mit seinem Lastwagen. Und dann hat einer Schnaps dabei gehabt, der ist von
Jungingen gewesen. Und dann hat man sie auch eingesperrt, acht Tage lang ist mein Mann
nicht mehr gekommen. In Traunstein ist es gewesen, glaube ich, wo man sie eingesperrt hat.
Wegen dem Schnaps, den der verhamstern wollte«415.

Abschließend eine weitere Variante des Tauschgeschäftes, die den zur Verfügung stehenden
ländlichen Handlungsspielraum in diesem Bereich aufzeigt: »Mein Vater hat bei uns zu Hause
Truthähne aufgezogen. Als ich aus der Gefangenschaft gekommen bin, sind es, glaube ich,
12 oder 14 Tiere gewesen. Ich habe in der Gefangenschaft gehört, die Amerikaner essen den
Truthahn gerne. Hier hat man davon nichts gewußt. Dann habe ich gesagt: Schlachtet man
jetzt einmal so'n Dinger und ißt ihn? Ja, bist du verrückt, das kann man nicht, das können wir
uns nicht leisten. Er hat die für einen Fabrikanten gezüchtet, und der ißt aber auch nur einen
oder so. Und die anderen braucht er auch wieder, um Sachen zu besorgen, die er sonst gar

413 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

414 Ebd.

415 Interview mit Frau C. am 12.3.1991.

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