Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 271
(PDF, 85 MB)
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»Es war wie überall, eben kleiner« - Französische Besatzung in Burladingen (1945-1948)

gemacht. Und, ich weiß auch nicht, irgendwie hörig gemacht vielleicht für solche Parolen. Und
wirtschaftlich ist es eben auch schlecht gegangen, mit der Arbeitslosigkeit und alles. Und der
(Hitler, d.V.) mit seinem großen Maul, der hat ja den Leuten alles versprochen. Man kann ja auch
gut, wenn man Schulden macht, die Leute wieder beschäftigen und ins Brot bringen und Autobahnen
bauen und allen Tod und Teufel. Man hat's ja gemerkt, wie ist's denn dem guten
Jenninger gegangen! Das ist ja ein ganz haariges Kapitel. Der hat ja auch nichts anderes sagen
wollen. Der hat ja nur erklären wollen, daß man's verstehen muß, wenn viele einfach gemeint
haben, das ist unsere Rettung. Und er ist über das gestolpert, hat seine Existenz verloren und hat
den Bundestag in ein schlechtes Licht gebracht. Aber da ist schon etwas dran. Und was man hier
speziell immer gesagt hat, was ältere Männer immer gesagt haben, auch mein Großvater und so
- das habe ich gesprächsweise so mitgekriegt -, sie können schon verstehen, daß man da
Sympathie dafür hat. Aber sie verstehen nicht, daß die Bevölkerung das mitmacht, wenn sie
sieht, wer sich hier an die Spitze stellt, also an Persönlichkeiten. Die Leute hat man ja gekannt,
man ist ja mit denen aufgewachsen. Das waren nicht die Besten, das war überhaupt nicht die
Elite. Aber das hat ja dann keine Rolle mehr gespielt, dann war schon alles zu spät«463.

Da die Entnazifizierungsakten in den Archiven aufgrund des Personenschutzgesetzes nicht
eingesehen werden dürfen, fand in diesem Forschungsbereich eine Konzentration auf die
Interviews statt. Nachträglich betrachtet, handelte es sich um eine äußerst positive und vorteilhafte
Vorgehensweise, konnte doch eine relativ unbelastete Beschäftigung mit der Thematik
erfolgen, ohne bei den geführten Gesprächen in die Rolle der Anklägerin gedrängt zu werden.

Die Burladinger/innen erwähnen in den Gesprächen bezüglich der politischen Säuberung
selten die in der Geschichtswissenschaft üblichen Termini »Untersuchungsausschuß, Säuberungskommissar
, Spruchkammer«. Da bestimmte historische Ereignisse und Begriffe im örtlichen
Diskurs nicht thematisiert werden, spielen in den Erzählungen der Zeitzeugen/innen
statt dessen diejenigen Momente eine Rolle, die sich mit dem ländlichen Handlungsspielraum
assoziieren lassen. In diesen Zusammenhang gehören die Persilscheine, die Differenzierung
zwischen »großen und kleinen Nazis«, die kurze Internierung der Nationalsozialisten.
Obwohl die vom Staatskommissar und später von den Spruchkammern ergangenen Entscheidungen
laufend in den Beilagen zum Amtsblatt des Staatssekretariats veröffentlicht wurden,
erinnern sich die Informanten/innen ausschließlich an einzelne Entnazifizierungsmaßnahmen
. Sofern man nicht persönlich von der politischen Säuberung betroffen war, man wahrscheinlich
nur von den Spruchkammern und Untersuchungsausschüssen gehört hat, zählen
diese Aspekte nicht zu der begrenzten Anzahl von besonderen Bildern und eindringlichen
Situationen, die im Gedächtnis bewahrt werden.

3.3.2. »DIE SIND GUT DAVONGEKOMMEN«

Insgesamt ist die französische Militärregierung »in der Auslegung ihrer Entnazifizierungsordnung
ziemlich großzügig«464 gewesen. In Burladingen hat sich die Bevölkerung aufgrund vielfältiger
verwandtschaftlicher Beziehungen gegenseitig in Schutz genommen; man wollte sich
innerhalb der Dorfgemeinschaft keine Feindschaften machen, indem man Personen bei der
Militärregierung denunziert hätte.

Eine Informantin, deren Ehemann in der Position des Bürgermeisters während der Besatzung
vielen »schwarzen Schafen« aus Burladingen Leumundszeugnisse ausgestellt hat, räumt im
Laufe des Gesprächs ein: »Ja, man hat natürlich gewußt, wer da Nazi gewesen ist, aber es hat
ihnen niemand nichts nachgesagt. Man ist vielleicht schon ein bißchen zu kulant gewesen«465.

463 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

464 Klaus Dietmar Henke: Politische Säuberung unter französischer Besatzung. Die Entnazifizierung
in Württemberg-Hohenzollern. Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Nr. 42. Stuttgart
1981, S. 25.

465 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

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