Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 274
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0288
Ute Weidemeyer-Schellinger

und hätte die Namen gesagt, die größten Schweine, dann wären die weggewesen. Umgekehrt,
wenn wir den Krieg gewonnen hätten, dann wäre mein Vater tatsächlich weggekommen, so
oder so. Ich möchte da im Grunde genommen auch niemand etwas nachsagen. Ich möchte damit
nur sagen, wenn mein Vater so radikal gewesen wäre wie die (Nazis, d.V), dann hätten die
(Franzosen, d.V.) damals nicht lange gefackelt. Und wenn er damals gesagt hätte, der und der
ist Nazi, die Franzosen hätten sie sofort erschossen, das ist hundertprozentig. Aber da ist jedes
Mal dessen Frau noch dagewesen. Man hätte heute ein schlechtes Gewissen, wenn man damals
gesagt hätte, man hätte jenen erschießen sollen«470.

Seine Ehefrau, in einem gemeinsamen Gespräch ebenfalls die mangelhafte Entnazifizierung
beklagend, zeigte sich erstaunt, daß die heimkehrenden deutschen Kriegsgefangenen
nicht gegen die ehemaligen Nazis vorgegangen sind. »Was mich damals so oft gewundert hat,
gerade wie jetzt ihr, ihr Spätheimkehrer (gemeint ist ihr Ehemann, d.V), die in der Gefangenschaft
gewesen und spät heimgekommen sind, daß es da so ruhig geblieben ist. Da habe ich
mich oft gewundert, daß sich die nicht mehr eingesetzt haben. Aber da ist eben jeder froh
gewesen, daß er wieder daheim gewesen ist. Ich habe seinerzeit auch gedacht, daß da bei der
Entnazifizierung zu wenig passiert ist. Ich mußte mich wundern - als man dann so den Verstand
gehabt hat -, daß die Kriegsgefangenen, als sie heimkamen, so ruhig bleiben konnten
und haben das so über sich ergehen lassen«471.

Herr E. räumt ein, daß es für dieses Verhalten der Heimkehrer durchaus Gründe gegeben
habe: »Und wenn da die Soldaten gleich heimgekommen wären! Das war deren Glück, daß
wir in die Gefangenschaft gekommen sind. Sonst hätte man entnazifiziert. Da hätte man entnazifiziert
, aber auf eine andere Art, wie die sich das vorgestellt hätten. Aber als wir nach
drei, vier, fünf oder sechs Jahren heimgekommen sind, konnten wir ja kaum noch auf den
Beinen stehen. Ich bin mit 25 Jahren heimgekommen und konnte kaum noch auf den Beinen
stehen. Da ist einem doch alles scheißegal gewesen. Ich meine, als wir gekommen sind - ich
war drei Jahre in russischer Gefangenschaft -, da hat mich nichts mehr interessiert. Da war
man froh, daß man wieder dagewesen ist. Also, wenn man 45 alle heimgeschickt hätte, dann
wäre entnazifiziert worden, aber hundertprozentig wäre dann entnazifiziert worden. Als wir
heimgekommen sind 48, ach was, ich habe ja keine Kraft mehr gehabt. Und dann hat man
auch nichts mehr wissen wollen. Ich habe mir das Ding, als ich in Rußland gewesen und
heimgekommen bin, ganz anders vorgestellt. Ich habe gedacht, wenn man jetzt heimkommt,
dann ist es tatsächlich anders. Aber der Schwindel ist gleichgeblieben. Und das ist auch heute
noch so, egal, wer regiert, ob das die CDU, SPD oder wer's ist. Das Großkapital ist immer am
Zug, immer auf eine Art, oder hat die Finger drin. Das Kapital ist immer am Zug, und wir
müssen mitspielen, ob wir wollen oder nicht. Und die Kirche auch noch mit, das muß man
auch noch dazu sagen«472.

Das Ehepaar E. ist sich einig, daß die Burladinger Nazis nicht gerecht bestraft worden sind:
»Es ist zu wenig passiert, die sind gut davongekommen«473. Herr E. resümiert die Ergebnisse
der politischen Säuberung in Burladingen: »Auf alle Fälle, was die (Nazis, d.V.) den Leuten
angetan haben, das ist von ihnen nicht gesühnt worden. Das steht fest. Und die, die heute
sagen, der Hitler gehört wieder her, die denken nicht weiter. Wir könnten heute noch unser
Deutschland haben, so wies gewesen ist. Die denken das nicht, die denken nur kurzfristig an
die Siege und an das Zeug. Und dann muß man aber auch wieder sagen: Das Großkapital ist
auch genauso viel schuld wie die anderen zusammen, wie die Partei«474.

470 Ebd.

471 Interview mit Frau E. am 15.5.1991.

472 Interviews mit Herrn E. am 21.3.1991 und 15.5.1991.

473 Interview mit Ehepaar E. am 15.5.1991.

474 Interview mit Herrn E. am 15.5.1991.

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