Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 276
(PDF, 85 MB)
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Ute Weidemeyer-Schellinger

doch sagen, wer beim BdM war und so. Das habe ich natürlich nicht gemacht. Und sie (die
Franzosen, d.V.) haben gerade die Fabriken ausgeräumt, ich glaube, da war ein Schuhlager
beim Johann Mayer draußen. Da hätte ich alles haben können, was ich wollte. Aber so etwas
tut man doch nicht, man verrät doch die eigenen Leute nicht«479.

3.3.3. »ERST DIE KLEINEN, UND BEI DEN GROSSEN IST ES AUSGEGANGEN«

Während der Besatzung vertrat ein Großteil der Bevölkerung die Meinung, daß man bei der
Entnazifizierung »nur die Kleinen« durch die Spruchkammern geschleust und »die
Großen«480 laufen gelassen habe. Tatsächlich war es in der Realität so, daß die Spruchkammern
, nachdem alle Bemühungen, den Kreis der Betroffenen erheblich einzugrenzen und das
Verfahren entscheidend abzukürzen, gescheitert waren, die Überprüfung der sogenannten
»schweren Fälle«481 zurückgestellt und die Millionen von »Mitläufern«482 und nur formal
Belasteten entgegen den Weisungen der Militärbehörde vorrangig ausgesiebt haben. Dadurch
ist die Entnazifizierung zu »einer Rehabilitierung der Minderbelasteten, zur Mitläuferfabrik
«483 geworden; »aus den Millionen von Entnazifizierungsverfahren gingen letztlich
mehr als 90 Prozent als >Mitläufer< und >Entlastete< hervor«484.

Die Burladinger/innen vertreten ebenfalls die Meinung, daß man bei der Entnazifizierung
mit den »kleinen Nazis« begonnen habe, die Entnazifizierungsbestimmungen gelockert und
die politische Säuberung als beendet erklärt habe, als die »großen Nationalsozialisten« an die
Reihe gekommen wären. »Erst die Kleinen, und bei den Großen ist es ausgegangen. Die
Großen hat's dann nicht mehr erwischt. Wenn es an die Großen geht, geht es sowieso schnell
vorbei. Die sitzen dann gleich wieder an der Regierung. So war's, und so ist es heute noch. Ich
weiß nur, daß es hier einen von der Post gegeben hat, ein ruhiger Mann. Der hat nie etwas
gemacht, das war auch kein Nazi, und ich weiß, daß der um eine Gehaltsstufe zurückversetzt
worden ist. Der war bestimmt kein Nazi, und der hat sich auch gar nie betätigt. Der Mann hat
auch nie eine Uniform getragen. Das waren die Niedrigsten, bei denen hat man angefangen,
und den hat man gleich um eine Gehaltsstufe niedriger gesetzt. Und als man dann an die Nazis
gegangen ist, da war's schon kulanter. Das hat mir der Mann nachher einmal erzählt. Der
mußte eben, weil er Postbeamter war, in die Partei. Das war ein ganz unscheinbarer und
ruhiger Mann. Der hat nie etwas mit der Partei zu tun gehabt«485. »Man kann sagen, da hat's
die Sogenannten (Nazis, d.V.) gegeben, die nicht an die Öffentlichkeit gekommen sind, von
denen hier nicht viele wissen - das haben mir andere von der SA gesagt -, aber es gab auch
etwas andere, die human gewesen sind. Und denen wirft man den Schwarzen Peter hin. Und
die, die tatsächlich der Schwarze Peter gewesen sind, die bleiben im Dunkeln. Die Kleinen hat
man dann vorgeschoben, und die anderen blieben im Dunkeln«486.

In der Entnazifizierungspraxis sah es häufig so aus, daß die Parteimitglieder, die wirklich
belastet waren und hätten bestraft werden müssen, eine ganze Reihe von Leumundszeugnissen
- die sogenannten Persilscheine - vorlegten, um ihre Unschuld unter Beweis stellen zu
können. Persilscheine waren eidesstattliche Erklärungen, die die politische Harmlosigkeit eines
vor die Spruchkammer Geladenen bezeugten. »Geistliche beider Konfessionen erfreuten
sich in diesen Wochen und Monaten eines ungewohnt starken Zulaufs. Die vielen braunen

479 Interview mit Frau G. am 29.4.1991.

480 Dotterweich (wie Anm. 346), S. 148.

481 Ebd. S. 149.

482 Ebd.

483 Lutz Niethammer: Entnazifizierung in Bayern. Säuberung und Rehabilitation unter amerikanischer
Besatzung. Frankfurt 1972. In: Dotterweich (wie Anm. 346), S. 149.

484 Dotterweich (wie Anm. 346), S. 153.

485 Interview mit Frau B. am 18.2.1991.

486 Interview mit Herrn E. am 21.3.1991.

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