Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 294
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0308
Ute Weidemeyer-Schellinger

oder eine paar Räume irgendwie organisiert. Jetzt brauchen sie ja ein Bett, man brauchte einen
Ofen. Dann hat ein Flugzeugkonstrukteur, der sich in Nagold durch die Kriegswirren niedergelassen
hat, als Holzkonstruktion Betten hergestellt, also nur Holz, da war kein Stück Eisen
dran. Da sind wir dann hingefahren, und ich glaube, ich habe an die 30 Betten bestellt und er
50 oder 80, ich weiß es nicht mehr so genau. Er hat einige mehr gebraucht für Burladingen.
Das war eine Riesenhilfe, damit man einmal ein klein bißchen etwas gehabt hat. Auf Umwegen
haben wir dann von so kleinen, runden, eisernen Öfen erfahren, ganz einfach hergestellt,
aber es war immerhin etwas«562.

Eine andere Erinnerung dokumentiert, in welcher Art und Weise die Verteilung der
Heimatvertriebenen auf die einzelnen Gemeinden und dort wiederum auf die jeweiligen Wohnungen
erfolgte. »Also ich weiß noch genau, als der erste Transport gekommen ist. Und das
hat gerade der Johann Graf machen müssen. Das war also schon schwierig. Das war viel
schwieriger als heute mit den Asylanten. Ich meine, das waren zwar Deutsche, aber da war
wirklich auch hier noch echte Not in jeder Beziehung. Und die Leute (Flüchtlinge, d.V.) standen
auch da mit nichts. Man hat kurz vorher gewußt, es kommen soviel und soviel Personen
in der und der Zusammensetzung. Damit man also gewußt hat, was man ungefähr machen
muß. Vorher mußte man über den ganzen Wohnraum Aufstellungen machen, damit man
sagen konnte, also da müßte ein Platz sein. Ich weiß auch nicht mehr, wo man dann seinerzeit
alle untergebracht hat. Nachher ist das ja Schlag auf Schlag gegangen. Da sind ja, ich glaube,
15 Prozent von der Einwohnerschaft Flüchtlinge gewesen. Die sind ja in die Lager verteilt
worden, also auf Landesebene und dann vom Land in die Kreise. In Hechingen war ein großes
Lager und in Balingen war ein großes Flüchtlingslager, und da sind die hingekommen. Und
dann mußte das Landratsamt die auf die Gemeinden verteilen, ob Arbeit war oder nicht.
Zunächst war ja die Wohnung das wichtigste. Da hat das also noch keine Rolle gespielt, daß
man gesagt hat, da sind Arbeitsplätze. Die hat man einfach verteilt. So ähnlich, ich weiß nicht,
aber ich glaube, da hat es keinen Schlüssel gegeben wie jetzt bei den Asylanten, pro tausend
Einwohner so- und soviel. Das war schon schwierig. Bei uns nebenan im Haus ist oben ein
Dachzimmer, ein schönes großes Zimmer, aber eben auch bloß ein Zimmer. Und kein WC
und nichts. Da hat man dann ein älteres Ehepaar eingewiesen, und das waren sehr, sehr nette
Leute von Danzig. Die haben dort eine Kochgelegenheit gehabt. Die Besitzerin hat früher als
Alleinstehende dort oben auch schon gewohnt und hat da gekocht und alles, aber sie hat aufs
WC hinunter müssen. Also, das ist gegangen, weil die sich toleriert haben, der Besitzer mit
seiner jungen Familie und die zwei Alten auch, auch mit der Nachbarschaft. Man hat schnell
Kontakt gehabt. Und wenn Feiertage waren, Weihnachten oder so, hat man denen auch ein
bißchen etwas gebracht. Aber es ist eigentlich gut gegangen. Das war bei mir direkt in der
Nachbarschaft. Das Problem war eben, daß man gar nicht auf das eingerichtet war, daß es so
schnell gekommen ist, und eben räumlich auch nicht. Hier war ja kaum Wohnraum frei verfügbar
, also komplette Wohnungen waren da nicht da«563.

Das Verhalten der Bürger gegenüber den Flüchtlingen, das höchstwahrscheinlich nicht unbedingt
und ausschließlich für Burladingen charakteristisch, zumindest aber aussagekräftig
ist, beschreiben Zeitzeugen/innen anhand ihrer Erinnerungen. »Die Burladinger haben erst
einmal Distanz gezeigt. Man muß da eben weiter zurückdenken. Wissen Sie, früher war's ja so,
in meinem Aufwachsen, da war's homogen, da war nichts. Da waren ein paar Familien von
auswärts, die hier leitende Angestellte in den Betrieben waren, vielleicht einmal der Bahnhofsvorsteher
und die Lehrer. Aber die sind ja schon so lange hier gewesen, daß man gesagt hat, die
gehören auch dazu. Und alles andere war eben einheimische Bevölkerung, 99 Komma, ich
weiß nicht wieviel Prozent. Und davon muß man ausgehen. Und wenn dann plötzlich so eine
hohe Zahl fremder Leute kommt, dann ist das schon etwas. Also nicht, daß man feindselig ist

562 Interview mit Herrn G. am 29.4.1991.

563 Interview mit Herrn A. am 22.1.1991.

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