Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 298
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0312
Ute Weidemeyer-Schellinger

Gegen die heute von beinahe allen Burladinger/innen gemachten Angaben, den Heimatvertriebenen
in jeder Hinsicht geholfen zu haben, wehrt sich die Interviewpartnerin mit Entschiedenheit
. »Oh nein. Das kann sein, daß sie anderen Flüchtlingen etwas gebracht haben,
aber wir persönlich haben nichts gekriegt. Da kam Kleidung von Amerika, und da haben wir
in Gammertingen vom Pfarrer Wirth einmal etwas gekriegt. Da habe ich dann ein Kleid gehabt
und ein Paar Schuhe. Aber hier nicht! Vielleicht die Kinder von meiner Schwester, das
kann auch sein. Ja, da war eine große Familie, die war aber wieder katholisch, denen haben sie
schon gebracht, das muß ich sagen. Aber an unserer Tür sind sie vorbeigegangen. Hunger
haben wir gehabt. Aber als wir dann gearbeitet haben, war's besser. Es gab ja noch die Lebensmittelkarten
, und die haben wir auch gekriegt. Kleidung gab's auf Bezugscheine. Ein paar
Kleider haben wir ja auch mitgebracht. Ich meine, gesehen hat man's eben, daß wir Flüchtlinge
waren, aber auf die Straße konnte man auch gehen, so war's auch nicht«576.

Frau K. räumt im Laufe des Gesprächs ein, daß sie das distanzierte Verhalten der Burladinger
Bürger gegenüber den Flüchtlingen - zumindest heute - in gewisser Weise verstehen kann
und verbindet die Schwierigkeiten bei der Unterbringung mit der Realität. »Jetzt muß ich
auch wieder sagen: Wären die (Burladinger, d.V) vielleicht zu uns gekommen, wie wir reagiert
hätten? Das kann man auch wieder nicht sagen. Das war genauso. Die hatten Angst, wir nehmen
die Arbeit weg und alles. Das ist genauso, wie es heute ist. Das muß man ein bißchen vergleichen
. Heute sind es wieder die Ausländer. Als die Ausländer hierherkamen, da kamen wir
ein Treppchen höher. Da waren die im Visier. Ich würde mich heute bei einer Einquartierung
in mein Haus einesteils auch wehren. Und wenn es dann noch kein richtiges Haus für zwei
Parteien ist, dann ist es sowieso schwierig. Wir hatten beim X.Y. eine extra Wohnung, dann ist
das auch etwas anderes. Wenn ich jetzt eine fremde Familie aufnehmen sollte und habe nur
eine Küche und ein Bad. Das geht in der heutigen Zeit gar nicht. Aber früher ist schon alles gegangen
, es mußte ja gehen. Ich glaube, das mit der Unterbringung ist genauso wie heute. Wenn
es eine abgeschlossene Wohnung ist, ist es noch etwas anderes. Aber das muß man alles erst
einmal mitmachen, dann kann man mitreden. Auch für den Bürgermeister war es schon
schwer. Das ist genauso, wie's heute ist. Heute kommen sie auch massenweise, und die Bürgermeister
von allen Dörfern und Städten wissen nicht mehr, wo sie sie lassen sollen. Das ist
genau das gleiche«577.

IV. EIN STÜCK HEIMATGESCHICHTE - FAZIT

Die Heimatchronik neuerer Art beschreibt einen einschneidenden heimatgeschichtlichen
Abschnitt, der, zwischen Kriegserlebnissen und Wiederaufbau liegend, zu einem wichtigen
Bestandteil unseres Interesses beziehungsweise Gedächtnisses gehören muß. Sie bietet damit,
inzwischen über 50 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, den Nachgeborenen
Gelegenheit, sich ein Bild von den Ereignissen und Entwicklungen der Jahre 1945 bis 1948 zu
machen, die alltäglichen Probleme der Bevölkerung während der französischen Besatzung
insbesondere anhand der lebensgeschichtlichen Aussagen der Zeitzeugen/innen zu rekonstruieren
- insgesamt relevante Bilder und Eindrücke aus einer Zeit vermittelnd, in der Burladingen
ebenso wie viele andere Städte und Gemeinden Deutschlands zum Schauplatz für Ereignisse
wurde, die den Bewohnern bis heute unvergeßlich geblieben sind. Der Erzählzusammenhang
zwischen Zeitzeugen/innen und an der Nachkriegsgeschichte Interessierten hat für
den Umgang mit der Vergangenheit eine wichtige Bedeutung. Ist er unterbrochen, fehlen
nicht nur die Lehren aus der Geschichte, sondern vermag die Vergangenheit wortlos fortzuleben
, ohne daß wir es bemerken.

576 Ebd.

577 Ebd.

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