Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 302
(PDF, 85 MB)
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Ute Weidemeyer-Schellinger

fürchteten einen Krieg in der Heimat, ahnten nicht, was beim Einmarsch und der sich anschließenden
Besatzung im einzelnen auf sie zukommen würde. Der unmittelbar bevorstehende
Einbruch des Krieges in ihre Heimat wurde von vielen Menschen als wesentlicher Einschnitt
rekonstruiert. Heimat stellte plötzlich keinen Schutz mehr vor dem Krieg dar, die seit
dem Jahr 1933 auch von dort ausgegangene Zerstörung kehrte jetzt zurück. Die Bevölkerung
suchte im Südwesten Deutschlands in eigens erstellten Luftschutzkellern und einigen wenigen
öffentlichen Luftschutzräumen Schutz vor Fliegerangriffen, die - auch wenn ländlich strukturierte
Gebiete im wesentlichen vom Bombenkrieg verschont blieben - selbst dort Opfer gefordert
haben. Die Präsenz des Krieges stellte sich für die Menschen in den letzten Kriegstagen
auch durch die geplante Evakuierung der Bevölkerung sowie die Verteidigung der Heimat
durch den sich aus den in der Gemeinde verbliebenen 16- bis 60jährigen Männern
konstituierenden Volkssturm dar. Obwohl ein Großteil der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt
längst überzeugt war, daß die Nationalsozialisten eine Wende des Krieges zugunsten der
Deutschen nicht mehr erreichen können, wurde sie durch solch sinnlose, aber gefährliche Aktionen
verängstigt, wagte jedoch, sich diversen Anordnungen der NSDAP-Parteistellen kurz
vor Beendigung des Krieges zu widersetzen. Und auch wenn sich in der Rekonstruktion die
Mehrheit der Einwohner lieber kampflos ergeben als beim Einmarsch der Franzosen einen
aussichtslosen Kampf in Verbindung mit dem eventuellen Verlust von Menschenleben riskieren
wollte, gab es in den Städten und Gemeinden zweifelsohne Menschen, die dieses militärische
Aufgebot in der Heimat unterstützt haben. Erinnerungen daran gibt es jedoch heute
kaum, die Aktivitäten des Volkssturms wurden in den Rekonstruktionen durchweg kritisiert.

Als dann der Einmarsch der alliierten Besatzer unmittelbar bevorstand - Burladingen wurde
am 24. April 1945 von französischen Truppen kampflos besetzt -, fiel die Entscheidung bezüglich
der Verteidigung oder Nicht-Verteidigung einer Gemeinde häufig direkt vor Ort und
bedurfte im allgemeinen Durcheinander praktisch keiner Rechtfertigung mehr. Spätestens in
der dem Einmarsch vorhergehenden Nacht - die Bevölkerung hatte sich größtenteils in ihren
Kellern versteckt - wurde der Volkssturm vom Bürgermeister häufig zum Abzug bewegt,
couragierte Bürger hißten als Zeichen der kampflosen Ubergabe der Gemeinde weiße Fahnen
und gingen den Franzosen gar mit solchen entgegen. Trotz der vagen Verhältnisse, der Unsicherheit
und Ängste kurz vor dem Einmarsch suchten und fanden die Bewohner/innen
diverse Versteckvarianten in Haus und Garten, um ihre Wertgegenstände vor den Besatzern in
Sicherheit zu bringen. Und als eine der letzten Aktionen versteckten oder verbrannten sie
Hitlerbilder, -symbole und -fahnen, da diese nun endgültig ausgedient hatten.

Die französischen Truppen dokumentierten bereits am Tag des Einmarsches in die Städte
und Gemeinden ihrer Besatzungszone, daß sie sich einen Ausgleich für die erlittenen Schäden
während der mehr als vierjährigen deutschen Besatzungsherrschaft in ihrem Land zu holen
gedachten. Ebenso wie Frankreich von den Deutschen überfallen und ausgeplündert worden
war, verdeutlichten die französischen Besatzer nun anhand zahlreicher Übergriffe auf die
deutsche Bevölkerung und deren Eigentum ihre eindeutige, unmißverständliche Machtposition
. Die deutsche Bevölkerung, die 140 Jahre keinen Krieg im eigenen Land erlebt hatte,
mußte erfahren, daß er auch im 20. Jahrhundert nichts von seinem Greuel verloren hatte, die
feindlichen Truppen - unter ihnen zahlreiche marokkanische Regimenter - als Beendiger des
Zweiten Weltkrieges zunächst neue Schrecken und Verluste brachten.

Sobald eine Stadt oder Gemeinde kampflos besetzt worden war, und dies war in Südwürttemberg
die Regel, gaben die französischen Offiziere im Rathaus die ersten Anordnungen der
Militärregierung bekannt: Schußwaffen, Fotoapparate, Radiogeräte sowie pro Familie ein Anzug
und ein Paar Schuhe mußten abgeliefert werden, Wehrmachtsangehörige hatten sich umgehend
zu melden, es wurde eine Ausgangssperre für die Bevölkerung verhängt.

Neben unzähligen Plünderungen und Requirierungen während der Zeit der französischen
Besatzung konnte das Schlimmste der ersten Nachkriegstage, die Vergewaltigungen von
Mädchen und Frauen, nicht verhindert werden. Daß sich die Ereignisse der >großen Geschich-

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