Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 304
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0318
Ute Weidemeyer-Schellinger

Das öffentliche Leben unter Besatzungsrecht verlief zu Beginn dergestalt, daß die Franzosen
insbesondere den Bürgermeister einer Kommune als Bezugsperson auswählten. Mit
Zustimmung der Militärregierung durfte sich in den Städten und Gemeinden der französischen
Besatzungszone im Herbst 1945 ein sogenannter Bürgerausschuß konstituieren, der
als Bindeglied zwischen Verwaltung und Bürgerschaft agieren sollte. Die Franzosen zeigten
sich bezüglich der Wiederzulassung politischer Organisationen zurückhaltender als die drei
anderen Siegermächte, es wurden erst im Herbst 1946 öffentliche Wahlen genehmigt. Das Interesse
der Bevölkerung an Politik und der Mitgliedschaft in einer politischen Partei war nach
Kriegsende verständlicherweise nicht allzu groß, die >ohne mich<-Haltung stellte ein typisches
Charakteristikum der politischen Landschaft der Nachkriegszeit dar. Gemäß den
Zielen der französischen Besatzer - die Umerziehung der Deutschen betreffend - planten
diese, in ihrer Zone das gesamte Erziehungssystem zu erneuern und dem französischen weitgehend
anzupassen. Die Schulen wurden im Herbst 1945 wieder geöffnet, viele Lehrkräfte
waren jedoch aufgrund ihrer NSDAP-Mitgliedschaft erst einmal aus dem Schuldienst entlassen
oder an eine andere Schule versetzt worden. Da mit den nicht beanstandeten 25 Prozent
kein sinnvoller Schulbetrieb aufrechterhalten werden konnte, holte man Pensionäre zurück
und stellte sogenannte Schulhelfer ein. Neben den Maßnahmen auf personellem Gebiet zählten
die Zensur in der NS-Zeit verwendeter sowie die Produktion neuer Schulbücher zu wichtigen
Bestandteilen der französischen Schulpolitik. Auch das kulturelle Leben wurde unter
französischer Besatzung wieder zum Leben erweckt. Es fanden Kino- und Theatervorstellungen
statt, Konzerte wurden veranstaltet. Die Vereine durften im Anschluß an die Genehmigung
ihrer Statuten und die Uberprüfung der Vorstandschaft auf politische Zuverlässigkeit
ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.

Obwohl Frankreich unter den drei westlichen Besatzungsmächten das einzige Land war,
das während des Krieges deutsche Besatzung erdulden mußte, rechtfertigt dies in keinster
Weise dessen Versuch, in Form von umfangreichen Reparationen sofortige Wiedergutmachung
der in Frankreich angerichteten Schäden zu erlangen. Landwirtschaftliche Produkte
sind in großem Umfang requiriert worden, Maschinen und Waren aus den Fabriken wurden
ebenso wie Holz aus den einheimischen Wäldern direkt nach Frankreich transportiert.

Hatte trotz aller Mangelerscheinungen der Verteilungsapparat der deutschen Verwaltung
auf dem Lebensmittelgebiet beim Einmarsch der Alliierten noch funktioniert, galt es speziell
in den ersten Nachkriegsjahren, in den ländlich strukturierten Gebieten der französischen
Zone die einheimische Landwirtschaft zu fördern. Da die Bevölkerung nach Kriegsende
zunächst fast ausschließlich auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse ihres Landkreises angewiesen
war und die französischen Besatzer zudem in beachtlichem Umfang aus diesen Produkten
mitversorgt werden mußten, bereitete die Verteilung der zur Verfügung stehenden
Nahrungsmittel und die Versorgung der Menschen gravierende Probleme. Wenn auch laut erinnerter
Gesprächssequenzen auf dem Land kein Nahrungsmangel geherrscht hat, wurde die
Versorgungslage der Menschen als ein bedeutender Aspekt der Besatzungszeit rekonstruiert.
Insbesondere die landwirtschaftlichen Ablieferungen, die gemäß einer Gemeindeumlage von
den landwirtschaftlichen Betrieben im Ort zu tätigen waren, erfüllten die Zeitzeugen/innen
zwar mit Bitterkeit, jedoch auch mit Verständnis, denn schließlich mußte ja jeder Bürger und
Besatzer mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Im Zeichen der französischen Reparationspraxis
stand in diesem Zusammenhang auch der von großen Transportkolonnen durchgeführte
Abtransport von Rohstoffen, Fertigfabrikaten, Betriebseinrichtungen und Maschinen aus
den Fabriken sowie die umfangreichen Holzeinschläge. Im Land umherreisende französische
Spezialkommissionen suchten die neuesten, wertvollsten und leistungsfähigsten Maschinen
aus, in den Betrieben blieben häufig nur die veralteten Exemplare zurück. Zu den schwersten
Eingriffen der Besatzungsmacht in die Substanz des Landes Württemberg-Hohenzollern
gehörten die von den Franzosen verlangten außerordentlichen Holzeinschläge, die in den
Jahren 1945 bis 1949 in extrem großem Umfang vorgenommen wurden.

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