Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 318
(PDF, 85 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0332
Jürgen Treffeisen

Aufgrund seiner archivfachlichen Ausbildung an der Archivschule in Berlin-Dahlem - er
war der erste Archivar auf dem Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg mit einer
fachgerechten Archivarsausbildung - legte er großen Wert auf die Transparenz seiner Bewertungsentscheidungen
. In längeren Berichten wurde genau festgehalten, warum gewisse Aktengruppen
archivwürdig seien und andere wiederum nicht58. Auch dieses fundierte Vorgehen
läßt sich anhand des genannten Reiseberichts verdeutlichen. Zunächst begründete er die Prüfung
der Akten vor Ort: Um einen Überblick über das zur Aussonderung bestimmte Material
zu bekommen, hätte eine Übersendung der Registerbände nicht ausgereicht. Die Bände enthalten
lediglich Namen, Straftat, Strafmaß und Notizen über die Strafverbüßung [...] Auf eine
eingehende Besprechung mit den Beamten, die die Akten bearbeitet hatten, und Einsichtnahme
konnte deshalb nicht verzichtet werden. An Hand der Register wurden zunächst jene
Akten bezeichnet, die durch die Person des Straffälligen oder durch das Strafmaß einer näheren
Untersuchung wert erschienen. Maßgebend war dabei, ob ein Aktenstück als >geschichtlich
wertvoll' oder durch die ganze Art des Verbrechens oder der Rechtssprechung als typisch angesehen
werden konnte. Also sollte sowohl das Normale, das Zeittypische, als auch das Außergewöhnliche
der Nachwelt überliefert werden.

In ähnlicher Weise ging Herberhold bei der Lehrerinnenbildungsanstalt in Haigerloch vor,
wo er sämtliche Akten durchsah. Vor allem Akten über die Wirtschaftsführung (Speisezettel,
Wirtschaftsbücher, Korrespondenzen mit dem Wirtschaftsamt), ferner Lehrpläne, Stundenpläne
, Anschaffung von Lehrmittel und Büchern, Einteilung des Dienstes im Hause etcetera
wurden ausgeschieden. Übernommen wurden Akten über Verkehr mit dem Ministerium, dem
Oberpräsidium in Koblenz, dem Regierungspräsidium in Sigmaringen, Akten über >Muster-
lager< und Prüfungen der >Jungmaiden<, die in die Anstalt übernommen wurden. Herberhold
erfüllte vor über 40 Jahren eine archivfachliche Forderung, die heute neu gestellt wird: Bewertungsentscheidungen
müssen transparent gemacht werden59.

Herberhold fertigte von seinen Aussonderungen regelmäßig Bewertungsprotokolle an, so
daß bis auf den heutigen Tag nachvollziehbar ist, aus welchen archivfachlichen Erwägungen
bestimmte Aktengruppen überliefert sind, andere hingegen kassiert wurden. Doch Herberhold
dachte weiter und brachte einen Gedanken ins Spiel, der erst in den jüngsthin vergangenen
Jahren verstärkt in der baden-württembergischen Landesverwaltung umgesetzt worden
ist60. Er ventilierte die Erarbeitung von Merkblättern für Amtsgerichte, die die Auffassung der
Archivverwaltung über den Wert bestimmter Aktengruppen enthalten. An Hand derartiger
Merkblätter könnten alsdann die Gerichte die für eine dauernde Aufbewahrung geeigneten
Akten kennzeichnen und von Zeit zu Zeit in die Archive abgeben.

Herberhold erkannte schon damals einen großen Mißstand in der Aktenführung der
Justiz: Eine zweite Schwierigkeit besteht darin, daß die Akten nach einer bestimmten Zeit vernichtet
, die Urteile aber entnommen und länger aufbewahrt werden müssen. Dadurch werden
Zusammenhänge zerrissen. Die Beseitigung dieses Mißstandes konnte erst vor wenigen Jahren
auf dem Wege eines Erlasses behoben werden. Gerade im Bereich der Aktenaussonderung
ging Herberhold Wege, die das Behördenschriftgut in archivfachlich wohl begründeter Auswahl
der Nachwelt sicherte.

58 Herberhold stand hier in der Tradition der preußischen Motivenberichte; siehe Robert Kretzsch-
mar: Archivische Bewertung und Öffentlichkeit. Ein Pädoyer für mehr Transparenz der Überlieferung. In:
Krimm, John, Archiv und Öffentlichkeit (wie Anm. 33), S. 205-219.

59 Siehe Kretzschmar, Bewertung (wie Anm. 58).

60 Aufbewahrung und Aussonderung der Unterlagen der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften
und der Justizvollzugsbehörden. AV des Justizministerium vom 1. Dezember 1993. In: Die
Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg 43 (1994), S. 33-36.

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