Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
34(120).1998
Seite: 348
(PDF, 85 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0362
Neues Schrifttum

Lebensführung durch eine Steigerung der feudal- und landesherrlichen Lasten ihrer Untertanen
zu entrinnen, stießen sie unweigerlich auf den Widerstand der bäuerlichen Bevölkerung.

Ausgehend von den Interpretationskonzepten des Republikanismus und des Kommunalismus
einerseits und der Ratsherrschafts-These andererseits fragt Rolf Kießling nach der Besonderheit
der »Stadtstaaten« in der Feudalwelt Oberschwabens. Trotz einer unübersehbaren
Oligarchisierung des Stadtregiments bereits im 16. Jahrhundert und nochmals verstärkt in absolutistischer
Zeit bleiben genossenschaftliche Vorstellungen von der Gleichheit und politischen
Partizipation der gesamten Stadtbürgerschaft allenthalben lebendig und kommen zumal
in Krisensituationen rasch an die Oberfläche. Die weitestgehende Angleichung der städtischen
Politik an die Herrschaftsformen nichtbürgerlicher Herrschaftsträger sieht Kießling zu
Recht in der Territorienbildung, die verschiedenen Reichsstädten mit allerdings recht unterschiedlichem
Erfolg in Spätmittelalter und Früher Neuzeit gelingt. Die bäuerlichen Stadtuntertanen
sind dabei neben der »normalen« feudalen Expropriation zusätzlich einer sich vor allem
in Marktreglementierungen äußernden Wirtschaftsherrschaft zum Nutzen des städtischen
Publikums unterworfen. Insgesamt sieht Kießling in der reichsstädtischen Politik
gerade auch in Oberschwaben seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine zunehmende
Abschwächung spezifisch ständischer Orientierungen und eine immer engere interständische
Kooperation zwischen Städten, Adel und Prälaten (S. 204). Auf der Grundlage von Christoph
Martin Wielands »Abderiten« fragt Hartmut Zuckert sodann nach den »republikanischen
Prinzipien« in Politik und Alltag der oberschwäbischen Reichsstädte.

Andre Holenstein und Franz Quarthai wenden sich sodann den Klöstern, der neben Adel
und Städten dritten und für die politische Landschaft Oberschwabens besonders charakteristischen
Gruppe von Herrschaftsträgern zu. Mit ihrer durchaus aggressiven Territorialbildung
von »unten« auf der Grundlage vor allem einer Konzentration der Leib- und Grundherrschaft
sind Holenstein zufolge die Klöster im 15. und 16. Jahrhundert insgesamt erfolgreich. Die dadurch
hervorgerufenen Untertanenbewegungen vermögen allerdings eine Abschwächung der
Herrschaftspraxis und eine langfristig wirksame Tradition der bäuerlichen Partizipation zu
bewirken, die über den konsensualen Abschluß von Agrarverfassungsverträgen und die Installierung
bäuerlicher Landschaften als permanenten Interessenvertretungen der Untertanen
die oberschwäbische Herrschaftsgeschichte maßgeblich mitgestaltet. Ob allerdings, wie Holenstein
behauptet, das Konfliktpotential und der entsprechende Regelungsbedarf zwischen
Herren und Bauern in Adels- und Stadtherrschaften »weniger weitreichend und gravierend«
war als in geistlichen Herrschaften (S. 267), muß beim Blick auf die bislang aus Oberschwaben
bekannten Untertanenkonflikte etwa in den hohenzollerischen Fürstentümern, in Friedberg-
Scheer, in Fürstenberg-Meßkirch oder in den Stadtterritorien von Rottweil und Überlingen
mehr als fraglich erscheinen. Quarthai wendet sich dagegen, die Klosterstaaten in der sich
nach dem Dreißigjährigen Krieg formierenden südwestdeutschen Sakral- und Kulturlandschaft
lediglich unter dem Aspekt der Territorialbildung und Herrschaftsausübung zu betrachten
und die stets damit in Spannung stehende spirituelle und seelsorgerliche Seite des klösterlichen
Daseins auszublenden. Einen spezifischen Beitrag der Klöster zur politischen Kultur
zumal Oberschwabens sieht Quarthai vor allem im Schulwesen, der Eröffnung von
Bildungs- und Aufstiegschancen für Bauern- und Handwerkerkinder, der Armenfürsorge
und nicht zuletzt der Einbeziehung der ländlichen Untertanen in die barocke Lebenskultur.

Einen sprachlich und inhaltlich pointierten Ausblick in die Welt nach dem »Kulturbruch«
von 1803 gibt schließlich der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling. Wie bereits
Schreiner und Bradler sieht auch er Oberschwaben und zumal eine dezidierte oberschwäbische
Identität erst als das Resultat der territorialen Umgestaltung zu Beginn des
19. Jahrhunderts und konkret der kulturellen Auseinandersetzung und Abgrenzung »in und
gegen Württemberg« (S. 287) entstehen. Im neuen Königreich stoßen unterschiedliche politische
Kulturen aufeinander: hier das lutherisch-pietistische und adelsfreie Altwürttemberg mit
seiner kleinbäuerlich-handwerklich strukturierten dörflichen und kleinstädtischen Gesell-

348


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1998/0362