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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0031
Alte Strukturen und neue Elemente während der Revolution von 1848/49 in Hohenzollern

wiederholt zum Ausgleich gekommen war. Es blieben bis ins 19. Jahrhundert kaum alte Beschwerden
zurück, die nicht bereinigt worden wären. Da im großen und ganzen keine bereits
früher vorgetragenen Anliegen von Seiten der Stadt anstanden, konnten 1848 neue, zeitgemäße
Forderungen von der Stadtbürgerschaft und dem neuen Bildungsbürgertum erhoben werden
, die auf eine Liberalisierung des Lebens abzielten. So verlangte man in dem mehr städtisch
beeinflußten Teil der Märzpetition u.a. Volksbewaffnung, Pressefreiheit, Religions- und
Gewissensfreiheit, Vereidigung aller Staatsbürger auf die Verfassung, Gleichheit der staatsbürgerlichen
Rechte, freies Versammlungsrecht, Schwurgerichte und ein deutsches Parlament51
.

Anders verhielt es sich mit den »offiziellen Landeswünschen«. Im Fürstentum waren z.B.
Feudallasten oder Zehnt- und Bannrechte erhalten geblieben. Diese Bereiche, die mit der alten
, feudalen Lebenswelt zusammenhingen, wurden 1848 ebenfalls in der Bittschrift vom
4. März, aber auch in anderen Petitionen thematisiert52.

Bei den »Landeswünschen« wurden vornehmlich bäuerliche Interessen verfolgt, was jedoch
nicht bedeutet, daß damit nicht zugleich bürgerliche Interessen tangiert wurden, denn
auch die Stadtbürger konnten von solchen alten Belastungen betroffen sein. Die wichtigsten
Forderungen, die in verschiedenen Petitionen vorgebracht wurden, lauteten: Aufhebung der
»alten Abgaben« und des Jagdrechts, Aufhebung von Zehntrechten, gerechtere Verteilung
der Lasten durch Abschaffung der indirekten Steuern und Einführung einer Einkommenssteuer
sowie Erweiterung der Gemeinderechte53. Diese Begehren stehen in einer gewissen
Kontinuität »alter« bäuerlicher Forderungen, die vor 1806 vorgetragen wurden, ohne daß sie
in der Regel54 so weit gingen wie 1848. Manche Beschwerden, die einzelne Gemeinden 1848
anbrachten, waren so oder ähnlich in Sigmaringen bereits im 18. Jahrhundert artikuliert worden
, wie z.B. die Beschränkung der Wanderpflicht für Handwerksgesellen, die Wucherzinsen
der Juden oder die Aufhebung des Jagdrechts55. Hinzu kamen Forderungen wegen Angelegenheiten
, die den Unmut der Bevölkerung gerade aktuell ausgelöst hatten, so etwa die landwirtschaftlichen
Vereine56. Auch in Sigmaringen stand die Revolution 1848 in einer bestimmten
Kontinuität der (bäuerlichen) Unruhen wegen der Reste des noch bestehenden Feudalsystems
.

51 Zu den Forderungen 1848: Gönner (wie Anm. 4), S. 38. Zu den Gravamina vor 1806: Zekorn (wie
Anm. 6), zu den Konfliktpunkten zwischen Stadt und Herrschaft S. 371^57, zusammenfassend:
S. 468 ff.; zum Ausgleich zwischen Stadt und Herrschaft: S. 483. - Zu der Forderung von 1848 nach Versammlungsfreiheit
ist zu bemerken, daß die gesamte (männliche) Bürgerschaft ein - seit 1619 sogar vertraglich
abgesichertes - Versammlungsrecht besaß (ebd., S. 49). Unkontrollierbare »Geheimversammlungen
« (conventicula) einzelner Bürger waren jedoch verboten (ebd., S. 352). Ein freies Versammlungsrecht
gab es vor 1806 folglich nicht, wurde aber auch nicht verlangt.

In der Petition vom 4. März wollte man auch die Aufhebung des fürstlichen Jagdrechts. Dieses Begehren
wird man nicht in Zusammenhang mit der im 17. und 18. Jahrhundert häufig geäußerten Beschwerde
über den Wildschaden bringen können. Zwar wurde dieser Konfliktpunkt im 17. und 18. Jahrhundert nie
befriedigend geregelt, weil den Fürsten das Jagdrecht zustand und sie an der Jagd ein Interesse hatten,
verlangt wurde aber nur die Verhinderung des Wildschadens, nie die Beseitigung des fürstlichen Jagdrechts
(zu dieser Beschwerde: Zekorn [wie Anm. 6], S. 409, S. 418, S. 431 f.).

52 Gönner (wie Anm. 4), S. 16 f., S. 42 ff., S. 56.

53 Ebd., S. 37 f., S. 42 ff.

54 Bei sehr weitgehenden Forderungen vor 1806 ist an Forderungen zu denken, die 1525 während des
großen Bauernkriegs andernorts, d.h. nicht in Sigmaringen, vorgebracht wurden.

55 Gönner (wie Anm. 4), S. 38, S. 43 f.; Zekorn (wie Anm. 6), S. 133: zur Ausbildung der Handwerksgesellen
. Die Klage über den Wucher der Juden wurde an vielen Orten vorgebracht. In Sigmaringen klagten
die Weißgerber wegen der Handelskonkurrenz der Juden (ebd. S. 100). Häufig vorgebracht wurden
Klagen wegen des Wildschadens (wie Anm. 51).

56 Gönner (wie Anm. 4), S. 43 f.

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