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Fünf Tage, die das Fürstentum erschütterten
den Teilnehmern der Kundgebung in Sigmaringen gehört haben, mit der der Turnverein seine
neue rote Fahne weihte.
Ihre Forderungen trugen die Revolutionäre auch auf der Fahrt nach Trillfingen mit sich.
Am Wahltag, dem 23. September, kamen sie nicht mehr an ihr Ziel. Sie mußten in Balingen
übernachten. Station machten sie im Gasthaus Schwanen. Dort trafen sie Gottlieb Rau, der
von Stuttgart kam und auf der Durchreise nach Rottweil war. In der Begleitung Raus reisten
der Geldwechsler Carl Elias Held und der Werkmeister Joseph Göttle, beide aus Rottweil.
Sie hatten den Herausgeber der Stuttgarter Tageszeitung »Die Sonne« als Redner der Volksversammlung
gewonnen, die der demokratische Volksverein am 24. September in Rottweil
plante33. Im Gasthaus Schwanen kamen sich die Demokraten an der TafeP* näher. Beide Seiten
unterrichteten sich über den Zweck ihrer Reise und debattierten sicherlich über die jüngste
politische Entwicklung in Frankfurt und im Deutschen Bund. Dort hatten sich im September
die Ereignisse überschlagen, nicht zuletzt ihretwegen fuhren Rau nach Rottweil und
Würth nach Trillfingen. Am 5. September 1848 hatten die Parlamentarier in Frankfurt die
Zustimmung zum Waffenstillstand von Malmö verweigert, mit dem das Königreich Preußen
seinen im Auftrag der Zentralgewalt - der Ministerialbürokratie des Deutschen Bundes - geführten
Krieg gegen Dänemark beendete. Knapp zwei Wochen später, am 16. September, hatten
sie das Vertragswerk aber in einer zweiten Abstimmung passieren lassen. Am 18. September
kam es darüber in der Nationalversammlung zu heftigen Auseinandersetzungen, die
Paulskirche wurde von Einheiten des Bundesheeres militärisch gesichert. Darauf brachen in
Frankfurt Unruhen aus, die sich auch gegen die Abgeordneten der Nationalversammlung
richteten. Zwei konservative preußische Parlamentarier, General Hans Jakob von Auerswald
und Fürst Felix von Lichnowsky, wurden bei einem Kontrollgang in der Stadt erkannt und
von einer aufgebrachten Menge ermordet. Preußisches und österreichisches Militär besetzte
Frankfurt und stellte mit drakonischen Mitteln Ruhe und Ordnung wieder her.
Die Vorgänge in Frankfurt wurden in den Ländern des Deutschen Bundes erregt diskutiert
, besonders im deutschen Südwesten. Während die gemäßigten Liberalen - auch der Abgeordnete
des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen, Josef Blumenstetter - zu Resignation
und Rücktritt neigten, fühlten sich die radikalen Liberalen zur Aktion gedrängt. Schon seit einiger
Zeit in demokratischem Fahrwasser, verloren sie vollends ihr Vertrauen in die in Frankfurt
tagende parlamentarische Vertretung. Das war in Hohenzollern-Sigmaringen ebenso wie
in Württemberg und Baden. Dort schlug die Erregung zuerst in Unruhe um. Der Mannheimer
Rechtsanwalt Gustav Struve, der bereits im März den gewaltsamen Sturz der Regierung herbeizuführen
versucht hatte und nach einem kurzen Gefängnisaufenthalt im Schweizer Exil
lebte, zog mit seinen Anhängern am 21. September 1848 abends in Lörrach ein, wo er vom
Fenster des Rathauses aus die Republik ausrief. Bereits am 22. September rückte die Truppe in
Richtung Freiburg aus. Ein Zug, auf den sich viele Blicke richten sollten, begann.
Daß sich auch die Blicke von Rau und Würth bereits am Abend des 23. September im Baiinger
Gasthaus Schwanen auf Struves Aufstand richteten, wird zwar allgemein unterstellt,
ist aber keine gesicherte Annahme35. Als sich Rau zweieinhalb Jahre später vor dem außerordentlichen
Schwurgerichtshof in Rottweil gegen den Vorwurf des Hochverrats zu verteidi-
33 Paul Sauer: Gottlieb Rau und die revolutionäre Erhebung in Württemberg im September 1848.
Stuttgart 1998. S. 51.
34 Rotrweiler Schwurgerichts-Blatt. Rottweil 1851. S. 81.
35 Paul Sauer (wie Anm. 33) S. 50 f., vermutet, daß Rau nach anfänglichem Zögern gerade wegen der
Erhebung Struves das Angebot angenommen habe, als Redner bei der Rottweiler Volksversammlung am
24. September aufzutreten, und in Balingen den Sigmaringer Demokraten gegenüber von dem Aufstand
in den rosigsten Farben gesprochen habe. Eberhard Gönner, Revolution (wie Anm. 2) S. 132, mutmaßt
, daß die Trillfinger Volksversammlung »ganz unter dem Eindruck der gleichzeitigen Erhebungen
der Republikaner in Baden und Württemberg« gestanden habe. Ders.: Hohenzollern und Württemberg.
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