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Fünf Tage, die das Fürstentum erschütterten
weigert hatte63, schwand deshalb die Erwartung in die Reformfähigkeit des bestehenden Systems
. Die Demokraten setzten ihre Hoffnungen vielmehr auf eine neue Landesverfassung,
die von einem neuen Landtag verabschiedet werden sollte. Anfang September 1848 begannen
sie, im Erzähler die Forderung nach einer auf das Prinzip der Volkssouveränität gegründeten
Verfassung zu verbreiten, am 10. September forderte der Vaterländische Verein in seiner Sigmaringer
Versammlung die Gemeinden des Fürstentums auf, in Petitionen an die Regierung
die Einberufung eines konstituierenden Landtags zu verlangen, der in gleicher und direkter
Wahl bestimmt werden sollte64. Der Trillfinger Beschluß reihte sich nahtlos in dieses Programm
ein.
Die Unzufriedenheit der Demokraten mit den Beratungen im außerordentlichen Landtag
hatten ihren Grund nicht zuletzt in der verschiedentlich zögerlichen Umsetzung der Beschlüsse
durch die fürstliche Regierung. Die Aufhebung der Zehnten, die Diskussion um die
künftige Rechtsform der bislang vom Fürsten privat bewirtschafteten Domänen oder die
Einführung von Schwurgerichten waren Beispiele: Im Landtag war darüber lange diskutiert
worden, teilweise hatte die fürstliche Regierung auch eigene Gesetzesvorschläge eingebracht,
die von den Abgeordneten abgelehnt wurden. Doch in allen Fällen hüllte sich die Regierung
nach den Beschlüssen des Landtags in Schweigen, zu Gesetzesreife gelangten die Vorstellungen
der Abgeordneten nicht65. Der Forderung an die Regierung, die vom Landtag gefaßten
Beschlüsse umzusetzen, sollte die Trillfinger Resolution Nachdruck verleihen.
Zwei weitere Beschlüsse der Versammlung betrafen die Militärverfassung des Fürstentums.
Bisher gab es ein Militärkontingent, das in voller Stärke aus drei Kompanien bestand und formal
zusammen mit Einheiten aus dem Fürstentum Hohenzollern-Hechingen und aus Liechtenstein
ein Bataillon der Bundesarmee bildete. Den Oberbefehl führte der Sigmaringer
Oberstleutnant Joseph von Niedermayr, dessen Loyalität gegenüber dem Fürsten bekannt
war. Obwohl das Sigmaringer Militär seit der Meuterei im März 1848 nicht mehr als zuverlässig
galt, hatten die Demokraten Grund, der Truppe zu mißtrauen. Die Beurlaubung des als liberal
geltenden Hauptmanns Carl Dopfer66 am 13. Mai 1848 konnte durchaus als Versuch verstanden
werden, über das kleine Offizierskorps das Kontingent für das Fürstenhaus wieder
verfügbar zu machen. Gegen Dopfer, der als mitverantwortlich für die Bittschrift der Soldaten
im März galt, wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das schließlich zu seiner Entlassung
aus dem Militärdienst führte. Die Suspendierung Dopfers öffentlich zu diskutieren, wie es in
Trillfingen gefordert wurde, war nicht nur eine Solidaritätsbekundung für ein Mitglied des
Vaterländischen Vereins. Die Diskussion wäre auch geeignet gewesen, Aufschluß über die
Absichten von Fürst und Regierung hinsichtlich ihres Militärkontingents zu erhalten67.
63 Eberhard Gönner, Revolution (wie Anm. 2) S. 99 f.
64 Ebd. S. 125, 130.
65 Ebd. S. 116,120,122.
66 Dopfer war mit Carl Otto Wurth, die beide der Museumsgesellschaft Sigmaringen angehörten, befreundet
und spätestens seit Mitte 1848 engagierter Mitarbeiter im Vaterländischen Verein. Am 10. September
forderte er als Redner bei der Versammlung des Vaterländischen Vereins in Sigmaringen zu Aktionen
gegen die Regierung auf. Am 26.09.1848 wurde er in den Sicherheitsausschuß berufen und nach
dem Einmarsch bayerischer Truppen in Sigmaringen verhaftet. Im Mai 1849 bestimmten ihn die Bürgerwehren
des Fürstentums zu ihrem stellvertretenden Oberbefehlshaber, eine Berufung, deren Bestätigung
die Regierung mit der Begründung verweigerte, ein vom Reichskriegsministerium für dienstunwürdig
erklärter Offizier sei für die Leitung der Bürgerwehr nicht geeignet, s. Eberhard Gönner, Revolution
(wie Anm. 2) S. 48, 80 f., 82,95,129 f., 138 f., 151. Andreas Zekorn, Museumsgesellschaft (wie Anm. 28)
S. 99 f., 100, 133.
67 Solidaritätsbekundungen mit Dopfer gehörten im September 1848 gleichfalls zu den Ritualen demokratischer
Versammlungen. In: Der Sigmaringer Erzähler Nr. 75/19.09.1848 beispielweise findet sich als
Notiz die Frage: Hat sich die Regierung wegen Suspendirung des Hauptmann's Dopfer ohne Angabe eines
Grundes noch nicht gerechtfertigt?
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