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Rolf Vogt
Die Konzeption der Demokraten hingegen sah die Auflösung des fürstlichen Militärs vor.
Nach langer Diskussion, die bereits im März begonnen hatte und im außerordentlichen
Landtag fortgesetzt worden war, verkündete Fürst Carl Anton das »Gesetz, die Volksbewaffnung
betreffend«, am 11. September 184 868. Das Gesetz übertrug die Aufgabe der Landesverteidigung
der Bürgerwehr, deren erstes Aufgebot - alle ledigen Männer zwischen dem
20. und 30. Lebensjahr - für den Verteidigungsfall besonders organisirt werden sollte. Diese
Bestimmungen der künftigen Militärverfassung des Fürstentums aber standen nur auf dem
Papier, und die Demokraten fürchteten möglicherweise nicht zu unrecht, daß die Regierung
sie dort stehen lassen wollte. Ein gesondertes Gesetz werde die Organisation für den Verteidigungsfall
bestimmen, hielt das Volksbewaffnungsgesetz in Artikel 59 fest, aber dieses Gesetz
gab es bislang nicht, wohingegen nach Einschätzung der Demokraten der Verteidigungsfall
durchaus denkbar war. Bereits Mitte Mai sowie ein zweites Mal von Mitte Juni bis Mitte
Juli 1848 hatten bayerische Truppen im Fürstentum gestanden. Vor allem die zweite Besetzung
, wenn nicht vom Fürsten und der Regierung veranlaßt, so doch wohlwollend toleriert,
hatte in der Bevölkerung Verbitterung hinterlassen. Die bayerischen Söldner wahrten nicht
immer die Disziplin, die »Quartierlast« wurde als drückend empfunden. Der Landtag hatte
im Juli ausgiebig über die Besetzung diskutiert und letztlich erreicht, daß die Sigmaringer
Regierung den Abzug der bayerischen Einheit forcierte. Die Verstimmung war geblieben69.
Daß Ende September 1848 erneut die Furcht bestand, das Fürstentum könnte von ausländischem
Militär besetzt werden, hing auch mit der Entwicklung zusammen, die in den Tagen
vor der Trillfinger Versammlung die Nationalversammlung genommen hatte. Unmittelbar
nach den Frankfurter Unruhen hatte die Zentralgewalt, die Reichsregierung unter Reichsverweser
Erzherzog Johann von Osterreich, in Frankfurt die Initiative ergriffen gegen die Pläne
und Mittel einer Parteidie unserem Vaterlande die Schrecknisse der Anarchie und eines
Bürgerkrieges bringen will. Der Reichsverweser verkündete am 20. September in einem Aufruf
an das deutsche Volk unter Berufung auf ein von der Nationalversammlung verabschiedetes
Gesetz seine Entschlossenheit, die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt Deutschlands zu
schützen70. Die Zentralgewalt begann mit der Zusammenziehung von Bundestruppen.
Die bundespolitisch eingefärbten Beschlüsse der Trillfinger Volksversammlung deuten
darauf hin, daß die ängstlichen Gemüter, von denen der Volksfreund berichtet hatte, in Trill-
fingen in der Minderzahl blieben. Dem Mißtrauen, daß der Zentralregierung und der gemäßigten
und konservativen Mehrheit der Nationalversammlung ausgesprochen wurde, die den
Geschehnissen der zurückliegenden Tage nach Auffassung der äußersten Linken tatenlos zugesehen
hatte, entsprach das Vertrauen, das die Trillfinger Versammlung gegenüber der äußersten
Linken formulierte. Die äußerste Linke waren die Demokraten, denen sich die Sigmaringer
Redner zugehörig fühlten. Sie erhielten in Trillfingen nicht nur das Vertrauen, sie
ließen sich auch zur That auffordern. Was mit dieser Aufforderung in der Stimmung des
24. September 1848 gemeint war, erscheint außerhalb jeden Zweifels. Es mochte allenfalls
fraglich sein, inwieweit sich Würth und seine Begleiter persönlich zur Aktion aufgerufen
fühlten. Gemessen an dem, was sie in den nächsten Tagen taten, müssen sie sich jedoch ange-
68 Verordnungs- und Anzeige-Blatt Sigmaringen Nr. 38/17.09.1848 S. 351-365.
69 Eine gute Woche nach der Trillfinger Volksversammlung erinnerte der Sicherheitsausschuß in Sigmaringen
in einer Erklärung an die Gerüchte: Schon seit einiger Zeit verlautete da und dort, daß man uns
baierische Truppen schicken werde, die uns matt machen sollen ... Und doch hat sich das Gerücht erhalten
, so daß überall, wo Vereins- oder Volksversammlungen stattfanden, das Begehren laut wurde, denselben
besser und entschiedener als bisher der Fall gewesen sei, entgegen zu treten, Der Sigmaringer Erzähler
Nr. 79/03.10.1848 S. 249.
70 Verordnungs- und Anzeigeblatt für das Fürstenthum Hohenzollern-Hechingen (künftig: Verordnungs
- und Anzeigeblatt Hechingen) Nr. 77/23.09.1848 S. 344 und Nr. 78/27.09.1848 S. 347. Im Fürstentum
Hohenzollern-Sigmaringen wurde der Aufruf erst am 01.10.1848 bekanntgemacht, Verordnungsund
Anzeige-Blatt Sigmaringen Nr. 40/01.10.1848 S. 385.
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