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Fünf Tage, die das Fürstentum erschütterten
uns seit dem Ilten März nicht mehr gestörte Ordnung auch ohne äußeres Mittel erhalten
werden kann wenn den verderblichen Vorgängen in unserer Nachbarschaft endlich ein Ziel
gesetzt wird.
Was die Hechinger Regierung am meisten fürchtete, war das Nachgeben des Fürsten. Sie
berichtete ihrem Gesandten von Gerüchten, nach denen Carl Anton in Sigmaringen zur
Abdication veranlaßt werden solle. Sie könne nicht verhehlen, daß ein solcher Vorgang, wenn
er endlich doch erzwungen würde, von den traurigsten Folgen auch für unsre Verhältnisse
sein müßte. Ja er könnte in gegenwärtigem Augenblick ... die verderblichsten Folgen nach
sich ziehen, sorgte sich die Regierung, daß dieser Präzedenzfall Rückwirkungen auf die
Staatsform in Hechingen haben würde. Der Hechinger Regent, Fürst Friedrich Wilhelm
Constantin, war ja bereits seit einigen Wochen außer Landes - auch wenn er noch nicht abgedankt
hatte.
Daß als kräftigste Maßregel und äußeres Mittel, die die verderblichsten Folgen der Anarchie
verhindern sollten, die Sicherstellung der öffentlichen Ordnung im Sinne der Regierung
durch fremde Truppen zu verstehen war, wurde in dem Brief nicht ausgesprochen, ist aber
zwischen jeder Zeile hörbar. Genau dieses äußere Mittel befürchteten ja die Demokraten, die
in ihren Trillfinger Beschlüssen ihre Regierung in Sigmaringen ausdrücklich zur Fernhaltung
fremder Truppen aufgefordert hatten - allerdings in ihrer Sicht nicht, weil sie im Fürstentum
Anarchie beseitigen und eine gestörte Ordnung wiederherstellen, sondern weil sie Leben und
Eigentum der Bürger gefährden würden.
Daß unsre Nachbarn ... kaum werden verschont bleiben können, schien allerdings dem
Leserbriefschreiber im Hechinger Verordnungsblatt gewiß. Seine sorgenvollen Überlegungen
erschienen im Verordnungsblatt des Fürstentums Hohenzollern-Hechingen zusammen
mit dem Aufruf des Reichsverwesers vom 20. September. Dem Schreiber war auch bereits bekannt
, daß die Zentralgewalt am 23. September einen Reichskommissar für die südwestdeutschen
Bundesstaaten eingesetzt hatte, der, mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet,
Ruhe und Ordnung wiederherstellen sollte. Der Autor muß gute Einblicke in die Regierungsgeschäfte
gehabt haben. Vermutlich gehörte er der Landesregierung sogar an. Sein
Schreiben war das dem Trillfinger Beispiel entgegengesetzte regierungsamtliche hohenzolle-
risch-hechinger Flehen, daß der tüchtige und brave Bürger und Bauer, der fleißige Arbeiter,
der rührige Handwerker zusammenhalten, daß sie gegen solch gesetzloses Treiben auftreten,
daß sie es nicht aufkommen lassen sollen. Daß die Hausväter ihre Söhne, die Meister ihre Gesellen
, der Freund den Freund und die Frauen ihre Männer davon abmahnen und zurückhalten
, damit in unserem Ländchen die Reichsgewalt... keine Veranlassung finde, mit Zwangsmaßregeln
einzuschreiten, damit in unserem Ländchen so viel als möglich Ruhe, Ordnung
und Gesetz aufrecht erhalten werde.
6. DIE FOLGEN
Die Hechinger Regierung hatte am 27. September nur ungenaue Kenntnis der Entwicklung,
die im Anschluß an die Volksversammlung von Trillfingen im Fürstentum Sigmaringen anscheinend
unaufhaltsam ihren Weg nahm. Gerade als der Brief nach Frankfurt auf den Weg
gegeben werden sollte, trafen die Nachrichten vom Vortag aus Sigmaringen ein. So eben verbreitet
sich hier das jedoch unverbürgte Gerücht daß am nächsten Sonntag, durch Zuzug aus
dem ganzen Fürstenthum die Regfierung] in Sigmaringen gestürzt u[nd] der Fürst zur
Abdication gezwungen werden solle, setzte der Schreiber in der Regierungskanzlei einen alarmierenden
Nachsatz unter das Schreiben.
Zu diesem Zeitpunkt aber waren in Sigmaringen schon Entscheidungen gefallen. Carl Otto
Würth und seine Begleiter dürften nach dem Ende der Trillfinger Volksversammlung am Sonntag
nachmittag sehr bald die Rückreise angetreten haben, vielleicht erneut mit einer Ubernach-
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