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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0061
Fünf Tage, die das Fürstentum erschütterten

Oberamtmann Eduard Clavel erstattete der fürstlichen Regierung Bericht und wandte
sich an die Bürgermeister seines Oberamtsbezirks mit einem Rundschreiben, dem er die Regierungsmanifeste
beigab, die die fürstliche Regierung in Sigmaringen unmittelbar vor ihrem
Auszug aus Sigmaringen verbreitet hatte. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um den Aufruf
des Reichsverwesers Johann, wirksame Mittel gegen die Anarchie ergreifen zu wollen,
und die Bekanntmachung der Fürstlichen Geheimen Konferenz über die Ernennung eines
Reichskommissars für die südwestdeutschen Bundesstaaten, der ermächtigt war, Belagerungszustand
und Standrecht zu verkünden und den fürstlichen Behörden Weisungen zu erteilen86
. In seinem Begleitschreiben forderte Clavel die Gemeinden auf, zur Abwendung zeitlichen
Schadens ihre Gemeindeangehörigen an Treue und Gehorsam für die Gesetze auf das
eindringlichste zu ermahnen, die gutgesinnten Bürger zu verpflichten, über die übelgesinnten
Wache zu halten, und jedes Aufkommen von ungesetzlichen Gelüsten mit mehr Kraft als bishergeschehen
, niederzuhalten*7.

In den Gemeinden des Oberamtsbezirks scheint die Mahnung Clavels Wirkung gezeitigt
zu haben. Die Bürgermeister fühlten sich nach Eingang des Rundschreibens zur Reaktion genötigt
. Sie versicherten dem Oberamtmann schriftlich und mündlich ... unverweilt im Sinn
und Auftrag ihrer Gemeindeangehörigen, daß sie fortan, wie sie es mit einer kleinen Unterbrechung
stets gethan den Rahmen der Legalität nicht verlassen wollten88. Die Bürgschaft der
Gemeinden scheint allerdings nicht überall problemlos zustande gekommen zu sein. Wenigstens
eine Reihe von Bürgermeistern verstand unter der vom Oberamtmann geforderten
Loyalitätsbekundung eine von den Bürgern zu unterzeichnende Erklärung. In der Gemeinde
Gruol etwa soll es dem Bürgermeister zunächst aber nur gelungen sein, 24-30 Unterschriften
zu sammeln, während 180 Bürger die Unterschrift... verweigerten. Der Bürgermeister berief
darauf eine Bürgerversammlung ein als lezten Versuch, und der gelang. Er erklärte den Bürgern
im Rathaus bei geschlossenen Thüren, daß die, welche nicht unterschreiben, als Rebellen
erklärt werden. Rebellen und geschlossene Thüren, das wirkte drastisch, und die Bürger unterschreiben
, um wieder frei zu werden, unterschreiben, um nicht als Rebellen behandelt zu
werden*9.

Die Bemühungen des Oberamtmanns und der Bürgermeister führten in den Sigmaringer
Zeitungen zu einer Kontroverse, deren Wertungen näheres Licht auf die Verhältnisse werfen.
Die Regierungsauswanderung habe im Unterland zwar überrascht, aber Tränen sind deshalb
keine geflossen, berichtete ein Mitarbeiter am 30. September in einem Bericht, der in der Ausgabe
des Sigmaringer Erzählers am 3. Oktober veröffentlicht wurde90. Das Rundschreiben
Clavels kommentierte der Berichterstatter mit der Bemerkung, das Oberamt Haigerloch
habe deshalb Trauer angelegt und fordert die Bürgermeister auf mit ihm zu trauern. Das
wollte nicht ansprechen; die Bürgermeisterämter trauerten nicht, und es trauerte eben Niemand
. Jetzt lautet der Befehl anders. Wenn sie nicht trauern wollen, so sollen sie doch leiden.
Die Bürgermeisterämter hätten sofort in den Gemeinden bekannt zu machen, daß sie Militär
bekommen, wenn die Bürger nicht erklärten und diese Erklärung unterzeichneten, daß sie
mit dem Alten sich begnügen und mit der Regierung zufrieden sein wollen.

Oberamtmann Clavel wies eine knappe Woche später im regierungsamtlichen Verordnungsblatt
weit von sich, mit Druck und Drohungen Loyalitätserklärungen der Gemeinden
seines Oberamtsbezirks erzwungen zu haben. Die Darstellung sei rein erdichtet und das
Machwerk eines elenden Buben, konterte er, den Begleitbrief habe er dem Rundschreiben aus

86 Verordnungs- und Anzeigeblatt Hechingen Nr. 78/27.09.1848 S. 347. Verordnungs- und Anzeige-
Blatt Sigmaringen Nr. 40/01.10.1848 S. 385.

87 Verordnungs- und Anzeige-Blatt Sigmaringen Nr. 41/08.10.1848 nach S. 406.

88 Ebd.

89 Der Sigmaringer Erzähler Nr. 79/03.10.1848 S. 252.

90 Ebd.

47


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