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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0069
Revolutionäre Beamte?

Der Monarch war zwar Anfang des 19. Jahrhunderts Staatsorgan und Träger des monarchischen
Prinzips, doch handeln konnte er nur unter Mitwirkung anderer Staatsorgane. Die
Bürokratie war Träger des Staates. Aber die Beamten waren nicht mehr einfach Diener der
Monarchie, wie noch in den absolutistischen Staaten des Ancien Regime, sondern Diener des
Staates. Der Staat war vor allem bürokratischer Obrigkeitsstaat mit einer zunehmenden Tendenz
zur Verrechtlichung. Der Reformflügel der Beamten wollte eine Eingrenzung von monarchischer
Willkür durch die Bindung an Staat und Gesetz. Freiheit sollte nicht primär durch
eine Verfassung, sondern durch Verwaltung erreicht werden6. Beamte waren gegen die alte
Feudalwelt eingestellt, aber auch gegen die neue unternehmerische Bourgeoisie und gegen
neue »demagogische«, populäre Bewegungen. Gegenüber dem »Volk« legten die Beamten,
wenigstens teilweise, einen wohlwollenden Paternalismus an den Tag7.

Aus den neuen Funktionen der Beamten und einem neuen Selbstbewußtsein erwuchs ein
Katalog von Tugenden der Beamtenschaft: Kompetenz, Effektivität, Sachlichkeit, Objektivität
, Verantwortlichkeit, Selbständigkeit, Pflichtbewußtsein und Loyalität. Dies waren die
Normen, wobei die Wirklichkeit oft anders aussah. Doch Korruption, Abhängigkeit von
Nebeneinnahmen, Desinteresse und Faulheit, welche Mißstände noch im Ancien Regime
herrschten, wurden zunehmend beseitigt. Das Beamtentum wurde mehr und mehr profes-
sionalisiert. Diese Professionalisierung erreichte man dadurch, daß Prüfungen zur Eingangsnorm
wurden; für die höheren Amter war ein Studium, vor allem das Jurastudium oder z.B.
in Württemberg das Studium der Staatswissenschaften oder Staatswirtschaft Voraussetzung
für die Aufnahme in den Staatsdienst. Durch den Zwang zum Besuch der Landesuniversität
sicherte sich der württembergische Staat die fachliche Qualität der Beamten. An das Studium
schloß sich eine verwaltungsinterne Ausbildung an; in Preußen etwa war diese oft sehr lange
Ausbildungszeit sogar unbezahlt8. Zwingend notwendig und einheitlich war der Ausbildungsgang
zwar noch nicht, wie gerade das Beispiel des Baiinger Oberamtmanns Leemann
zeigen wird, doch stellt die zunehmende Professionalisierung eine Entwicklungstendenz dar.

Ausbildung und Prüfungen dienten als Filter. Wer durch diesen Filter gelangte, den erwartete
eine privilegierte Stellung mit fester, wenn auch nicht gerade üppiger Besoldung, Pension
, weitgehender Unabsetzbarkeit und anderen Sonderrechten. Hinzu kam ein hohes
Sozialprestige der gebildeten Staatsdiener. Auf der anderen Seite gab es aber eine strenge
Hierarchie und Disziplinierung der Beamtenschaft. Gegenüber Monarch, Regierung und
Vorgesetzten wurde Loyalität erwartet. Der Treueeid gegenüber dem Monarchen ging in
Württemberg dem Verfassungseid vor. Die Beamten standen in einem öffentlich-rechtlichen

temberg (1780 - 1825). München, Wien 1978, S. 328. Vgl. auch im folgenden: Hans Hattenhauer: Geschichte
des Beamtentums. Köln 1980, S. 201 ff.; Kurt G.A. Jeserich: Die Entwicklung des öffentlichen
Dienstes 1800 - 1871. In: Ders. (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2. Stuttgart 1983, S. 302 -
332, S. 204 ff.; S. 236 ff.; Bernhard Steinbach: Die Politische Freiheit der Beamten unter der konstitu-
ionellen Monarchie in Preußen und im Deutschen Reich. Bonn 1962, S. 25 ff. - Allgemein auch: Otto
Hintze: Beamtentum und Bürokratie, hrsg. v. Kersten Krüger. Göttingen 1981.

6 Nipperdey, Deutsche Geschichte (wie Anm. 5), S. 320-322; Jeserich, Öffentlicher Dienst (wie
Anm. 5), S.304 ff., S. 311.

7 Nipperdey, Deutsche Geschichte (wie Anm. 5), S. 322; Jeserich, Öffentlicher Dienst (wie Anm. 5),
S.314f.

8 Zur Ausbildung der Oberamtmänner in Württemberg: Wunder, Privilegierung und Disziplinierung
(wie Anm. 5), S. 281 ff., S. 284; Werner Conze, Sozialer und wirtschaftlicher Wandel, in: Kurt G. A.
Jeserich, Deutsche Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 5), Bd. 2, S. 19-55, S. 37 f.; Ausführlich: Jeserich,
Öffentlicher Dienst (wie Anm. 5), S. 322 ff.; Walter Grube: Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-
Württemberg, hrsg. v. Landkreistag Baden-Württemberg. Stuttgart 1975, S. 83 f.; Nipperdey, Deutsche
Geschichte (wie Anm. 5), S. 320 ff.

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