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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0078
Andreas Zekorn

keiten und Schwächen zuschulden habe kommen lassen, sich passiv verhalten hätte und sich
nirgends auf der Straße habe blicken lassen; kurz: Feigheit und Pflichtvergessenheit warf er
dem Oberamtmann vor48. Immerhin übte Leemann als Oberamtmann die Funktion eines
Bezirkspolizeibeamten aus, der verpflichtet war, den politischen Erscheinungen seine Aufmerksamkeit
zu widmen49. Maier hatte Leemann in aller Öffentlichkeit schwer beleidigt und
seine Fähigkeiten angezweifelt. Diese Beleidigung konnte der Oberamtmann kaum auf sich
sitzen lassen. Er reichte deshalb Klage beim Oberamtsgericht Balingen ein. Die Sache kam
schließlich vor den Criminalsenat des königlichen Gerichtshofs Tübingen, wo Präceptor
Maier am 23. September 1850 wegen ehrenkränkender Bezichtigung und Ehrenkränkung
von Oberamtmann Leemann zu dreiwöchigem Festungsarrest verurteilt wurde. Ein Begnadigungsgesuch
wies das Justizministerium ab, da sich die Behörden zunächst vor ihren Beamten
stellten50. Noch ehe der Prozeß gegen Maier entschieden war, bat Leemann am
23. März 1849 in einem Schreiben an Staatsrat von Linden in Stuttgart eine Untersuchung gegen
ihn zu verhängen, falls nur der geringste Zweifel an seinem Benehmen bestünde51.

Die oberste, Leemann vorgesetzte Behörde, das Ministerium des Innern, beobachtete zunächst
den Prozeßverlauf und wartete das Urteil ab. Als Maier nun direkt ein Begnadigungsgesuch
an den König richtete und dieser der Begnadigung zustimmen wollte, falls die Angaben
Maiers der Wahrheit entsprächen, setzte das Ministerium die Untersuchung gegen Leemann
in Gang und verlangte im April 1851 von der Kreisregierung des Schwarzwaldkreises52
Bericht über Leemann53. Die relativ rasche und gründliche Untersuchung des Falls Leemann,
wobei auch die Argumente Leemanns gehört wurden, war im Oktober 1851 abgeschlossen.
In einem Anbringen an den König waren die Vorwürfe gegen Leemann auf drei konzentriert:

Zum einen hätte sich Leemann bei der Rechnungsabhör in Tailfingen nicht sonderlich beeilt
und sich erst nachdem die beunruhigende Nachricht aus Balingen eintraf, früher als geplant
mit einem gesonderten Wagen dorthin zurückbegeben. Dabei hätte Leemann durch das
Treffen am Samstag und das Gepräch bei der Abendgesellschaft am Sonntag vorgewarnt sein
müssen. Leemann rechtfertigte sich dafür, daß er seine Dienstreise nicht abgesagt hatte, damit
, daß außer Gerüchten nichts sicher gewesen sei. Bei den vielen Gerüchten in einer unruhigen
Zeit habe er dem neuen Gerücht keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das Jahr
1848 sei vom Frühjahr an so voll Aufregung und excentrischer Bewegung und so voll gefahrvoller
Gerüchte gewesen, daß man sich allmählich daran gewöhnt und den einzelnen Erscheinungen
nicht mehr das Gewicht beigelegt habe, welches man ihnen in ruhigerer Zeit beigemessen
hätte. Es hätten häufiger stürmische Volksversammlungen stattgefunden, ohne daß
sie Folgen hatten. Daß gerade die Rottweiler Versammlung solche Konsequenzen nach sich
ziehen würde, hätte er nicht glauben können. Leemann stellte seine Beweggründe weiterhin

48 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 56-58: Schreiben an Universitätskassier Bullinger vom 5.8.1851.

49 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 49: Bericht vom 27.6.1851.

50 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 28: Note des Justizministeriums vom 3. April 1851. Hier auch weiter zur
Abweisung des Begnadigungsgesuchs: das Justizministerium vertrat gegenüber dem Ministerium des Innern
die Meinung, daß sich Leemann nichts zuschulden kommen ließ und eine Begnadigung Maiers indirekt
eine Mißbilligung des Verhaltens Leemanns bedeutete. Maier richtete ein Begnadigungsgesuch an
den König, der der Begnadigung zustimmen wollte, falls die Behauptung Maiers der Wahrheit entspräche
. Das Justizministerium bat um Auskunft, ob das Ministerium des Innern eine Verfügung gegen Leemann
erlassen wolle. Vgl. auch ebd., fol. 84 (Quadr. 32): Vortrag wegen des Verhaltens Leemanns.

Zu Maier vgl. auch unten: Anm. 60.

51 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 4 (Quadr. 4), fol. 26 (Quadr. 17): Schreiben Leemanns vom 23.3.1849.

52 Die Kreisregierungen bildeten eine Mittelinstanz zwischen Ministerien und Oberämtern ähnlich den
heutigen Regierungspräsidien. Der Sitz der für Balingen zuständigen Kreisregierung des Schwarzwaldkreises
befand sich in Reutlingen.

53 HStAS, E 146, Bü 2729, fol. 28 ff.: Note des Justizministeriums vom 3.4.1851; Schreiben um Bericht
des Ministeriums des Innern an die Regierung des Schwarzwaldkreises vom 7.4.1851.

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