http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0086
Andreas Zekorn
In weiteren Zeitungsartikeln im Hechinger Verordnungs- und Anzeigeblatt berichtete er
über die Frankfurter Nationalversammlung und seine Tätigkeit als Abgeordneter. Schon
nach kurzer Zeit äußerte Baur eine gewisse Skepsis über die Möglichkeiten und Chancen,
wichtige politische Zielsetzungen zu erreichen. Die meisten Abgeordneten wären zu wenig
von volkstümlichen Ansichten geleitet, hingen viel zu ängstlich an den Grundlagen der Vergangenheit
und scheuten zum großen Nachtheile des Volkes entscheidende durchgreifende
Maaßregeln. Materielle Erleichterungen für die Bürger dürften kaum zu erwarten sein, da die
neuen Institutionen viel Geld kosten würden. Auch zweifelte Baur daran, daß die deutsche
Einheit zu erreichen wäre, denn die einzelnen Staaten wollten nur ihre Vorteile wahren,
Nachtheile aber will Niemand behalten oder übernehmen. Schließlich würden die gelehrten
Abgeordneten auch zu theoretisch debattieren und stünden zu wenig auf praktischem Boden
. Immerhin sei viel erreicht, wenn die Grundrechte des deutschen Volkes bald in Kraft
träten. Dann sei der Willkühr von oben für alle Zukunft der Weg abgeschnitten^.
Eine der für die Zukunft Hohenzollern-Hechingens wichtigsten Fragen, mit der Baur
während seiner Abgeordnetenzeit konfrontiert war, bildete die Mediatisierungsfrage. Es ging
darum, ob und wie die kleineren deutschen Staaten, die weniger als 500 000 Einwohner besaßen
, weiterexistieren sollten. Hierzu wurden Ende des Jahres 1848 verschiedene Möglichkeiten
diskutiert. Entweder sollten die kleineren Staaten untereinander verschmolzen oder größeren
benachbarten Staaten zugeteilt werden. Im Falle von Hechingen wäre eine denkbare
Variante der Anschluß an Württemberg gewesen, doch ist es nicht sicher belegt, ob der Fürst
das Land dem württembergischen König antrug. Eine andere Variante hätte darin bestanden,
die Souveränität aufzugeben und das Fürstentum der Frankfurter Zentralgewalt zu unterstellen
und mit anderen, kleineren Staaten zu vereinigen90. Die dritte Option war, das Fürstentum
an Preußen abzutreten; Fürst Friedrich Wilhelm Konstantin faßte diesen Schritt entsprechend
dem Hausgesetz bereits im Frühjahr 1848 ins Auge, doch Preußen reagierte zunächst
ablehnend91. Die Möglichkeit des Anschlusses an Preußen wurde übrigens auch von
der Bevölkerung des Fürstentums in Erwägung gezogen, so von dem Hechinger Lehrer Kohler
, der sich für den genannten Schritt ebenfalls unter Bezugnahme auf die Stammverwandtschaft
der preußischen Linie mit dem Fürstenhaus aussprach92. Grundsätzlich vertraten Abgeordnete
der Hechinger Landesdeputation, aber auch Vertreter der Regierung, die Ansicht,
daß die Mediatisierung nicht zu verhindern sei. Der Einzelstaat könne die finanziellen Lasten
nicht mehr tragen und nicht weiterexistieren, ohne den letzten Rest seines Vermögens aufzubrauchen
. Andererseits gab es vor allem in konservativen Kreisen zahlreiche Gegenstimmen,
die einer Aufgabe der Souveränität widersprachen, unter anderem auch wegen einer Abneigung
gegen Württemberg93.
Am 5. Dezember 1848 gab es in der Nationalversammlung eine Abstimmung über die Mediatisierungsfrage
. Dabei wurde der Antrag des Verfassungsausschusses mit folgendem Zusatz
angenommen: die Nationalversammlung solle beschließen, die Zentralgewalt aufzufordern
, die Vereinigung der kleineren deutschen Staaten unter sich oder mit größeren Staaten,
wohin die Bevölkerung es wünsche, über die betreffenden Regierungen und Volksvertretungen
zu vermitteln. Baur enthielt sich bei diesem Gesetzesantrag nun der Stimme. Er begründete
seine Stimmenthaltung damit, daß er keine Nachricht des Hechinger Landtags, also der
Hechinger Volksvertretung, über dessen Willen erhalten habe. Baur wollte als Abgeordneter
89 VuABl. Hech. Nr. 94(22.11.1848).
90 VuABl.Hech. Nr. 103 (23.12.1848).
91 Gönner, Revolution (wie Anm. 1), S. 162 ff.
92 VuABl. Hech. 1848, Nr. 101 (16.12.1848).
93 Zur Mediatisierungsfrage: Gönner, Revolution (wie Anm. 1), S. 171 ff.; Speidel, Blumenstetter (wie
Anm. 69), S. 80, S. 83 f.; vgl. auch: VuABl. Hech. Nr. 103 (23.12.1848). Allgemein: Siemann, Revolution
(wie Anm. 25), S. 198.
72
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0086