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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0131
Der Kreuzweg von St. Luzen in Hechingen. Ein Bilderzyklus des 18. Jahrhunderts

den römischen Prokurator auf die Seite derjenigen, die sich nicht als Feinde Jesu begriffen.
Sie tat dies auf die Weise, die sich Taubenschmid auch zu eigen gemacht hat. Pilatus wurde in
einem positiven Affekt wie z.B. Mitleid dargestellt.

Sollte sich die hier vorgestellte Interpretation als richtig erweisen, so stünde fest, daß die
Position, in der sich das Relief heute innerhalb des Kreuzwegs befindet, nicht die richtige ist,
und daß es ziemlich an seinen Anfang gestellt werden sollte. Als Laur und Genzmer dieses
Relief photographierten, befand es sich tatsächlich dort, nämlich in der Bildnische des Bildstocks
bei der Kapelle zur Unbefleckten Empfängnis.

Die Szene »Ecce Homo« gehört nicht zum Kanon der Kreuzwegszenen. Man hätte es also
mit einer »Hechinger Besonderheit« zu tun. Und es wäre nicht die einzige. In diesem Zusammenhang
muß auch die Szene genannt werden, die von den St. Luzener-Tonfiguren in der
Bildnische der heutigen 2. Station gebildet werden (Abb. 16). Üblicherweise wird in der
2. Station die Szene »Christus nimmt sein Kreuz« gezeigt. Hier deutet nichts auf diesen Zusammenhang
hin. Jesus ist von zwei männlichen, orientalisch gekleideten Figuren eingerahmt
. Beide nehmen mit Gebärden und Mimik Beziehung mit der Jesusfigur auf. Es ist eine
Auseinandersetzung im Gange. Der Schlüssel zum Inhalt der Szene liegt in der Identifizierung
der beiden Figuren links und rechts.

In der abendländischen Kunst war es seit dem 15. Jahrhundert üblich, die Juden mit orientalischen
Accessoirs auszustatten35. Der Löwenkopf am Turban des rechten Mannes hebt ihn
in seiner Bedeutung vor dem linken vor. Man hat es wohl mit einem jüdischen Würdenträger
zu tun. Auf der Suche nach einem solchen in den Passionsberichten der Evangelien bietet sich
der Hohepriester Kaiphas an, der Jesus nach seiner Gefangennahme verhörte. Die dargestellte
Szene könnte also das Verhör und die Schuldigsprechung Jesu zum Inhalt haben. Die andere
Figur könnte in diesem Zusammenhang des Hohenpriesters Knecht sein.

Diese Szene ist ebenso wie die gerade besprochene und auch die »Geißelung«, von der
schon die Rede war, nicht Bestandteil des üblichen Kreuzwegs. Da diese Episoden aber zeitlich
alle im Umfeld der Verurteilung durch Pilatus angesiedelt sind, scheint es einzuleuchten,
daß sie in ihrer Gesamtheit die sonst übliche Szene »Jesus wird verurteilt« im St. Luzener
Kreuzweg ersetzen.

Dies ist eine Eigenwilligkeit, die aber sicher nichts mit den schon mehrfach angesprochenen
Fehlern und Irrtümern zu tun hat, die bei zurückliegenden Neuaufstellungen unterliefen
. Um nun einen Vergleich zu bieten zwischen dem, was ein Kreuzweg dem Kanon nach in
der vorgeschriebenen Reihenfolge an Szenen zu zeigen hat und dem, was der St. Luzener
Kreuzweg in dieser Hinsicht leistet, folgt nun eine Auflistung der St. Luzener Stationen in
der derzeitigen Reihenfolge; die vom Kanon vorgeschriebene Szene an der jeweiligen Stelle
wird in Klammer angegeben:

1. Jesus an der Martersäule.
(Verurteilung Jesu durch Pilatus).

2. Jesus vor dem Hohenpriester.
(Jesus nimmt sein Kreuz).

3. ?

(Jesus fällt zum 1. Mal).

4. Jesus fällt zum 1. Mal.
(Jesu Begegnung mit Maria).

5. Jesu Begegnung mit Veronika?
(Simon von Cyrene).

6. ?

(Jesu Begegnung mit Veronika).

35 Hannelore Sachs, Ernst Badstübner, Helga Neumann: Christliche Ikonographie in Stichworten
. Leipzig 31988. S.u. »Juden«, S. 202.

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