http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0148
Andreas Günter
Die Kirche des Damenstifts Buchau liegt in Oberschwaben auf einer leichten Erhebung
am südwestlichen Rand des Federsees. Sie ist in einen Komplex von Bauten integriert, in dem
sie den südlichen Flügel eines Klostergevierts bildet. Es handelt sich um eine Hallenkirche
mit eingezogenem, polygonal geschlossenem Chor und einem einzelnem Turm. Der Turm
und der Chor sind vom gotischen Vorgängerbau übernommen.
Die Hauptschauseite ist die Südfassade der Kirche: eine große Wand mit sieben großen,
fast vom Boden bis zum Dach reichenden Rundbogenfenstern mit einem einfachen Maßwerk
aus drei rund abschließenden Bahnen.
Der dreischiffige Innenraum mit flacher Decke, Emporen und einem halbrund geschlossenen
Chor ist in sechs Joche unterteilt, wobei das erste im Westen eine Art Vorhalle bildet,
deren oberes Geschoß die Empore mit der ehemaligen Loge der Fürstäbtissin einnimmt, die
heute die Orgel beherbergt. Das Mittelschiff, das doppelt so breit wie die Seitenschiffe ist,
wird von diesen durch Pfeiler auf querrechteckigem Grundriß getrennt, denen zum Mittelschiff
hin Pilaster ionischer Ordnung vorgelegt sind. Die Emporen sind etwas unterhalb der
halben Seitenschiffshöhe eingezogen und teilen so die Fenster. Unter den Emporen entstehen
so relativ niedrige »Gänge«, während der Raum darüber ziemlich licht ist. Der Chor ist
durch eine hochrechteckige Choröffnung mit dem Langhaus verbunden. Im Chorscheitel
blicken wir auf eine Kreuzigungsgruppe vor einer mit einer Landschaft ausgemalten Apsi-
diole (siehe den Abschnitt Innendekoration). Die Bemühung den Kircheninnenraum hell zu
beleuchten, stand also im Vordergrund und tatsächlich fällt an schönen Tagen vor allem
durch die durchfensterte südliche Wand eine Flut von Licht, die die weiß gestrichenen Flächen
erstrahlen läßt.
Durch diesen in seinen Grundformen klar gegliederten Raum scheint d'Ixnard sich programmatisch
von den örtlichen Rokokokirchen wie im nahegelegenen Steinhausen absetzen
zu wollen. Zwar ist auch die Buchauer Kirche reich dekoriert und mit Deckengemälden versehen
, aber sie hat gerade Wände, einen rechtwinkligen Chorbogen und ihre Deckengemälde
wirken wie an der Decke aufgehängte Bilder, die klar von der Architektur geschieden sind.
Trotzdem gibt es durchaus Verbindungen zum Rokoko, die im folgenden gezeigt werden.
5.1. INNENDEKORATION IN BUCHAU
Die Skulpturen in Buchau werden von dem Bildhauer Johann Joseph Christian und seiner
Werkstatt geschaffen. Die Arbeiten in der Kirche von Buchau sind Christians Alterswerk,
das er von 1773 bis zu seinem Tod 1777 ausführt; assistiert wird ihm dabei von seinem Sohn
Franz Joseph Friedrich Christian.
Christians Hauptwerk ist das Chorgestühl in der Zwiefalter Klosterkirche von 1744-55,
wo er aber neben der Arbeit in Holz auch die Giebelfiguren der Fassade in Stein und zahlreiche
Figuren im Inneren aus Stuck fertigt. Genauso stammen zahlreiche Skulpturen der Abteikirche
Ottobeuren (1755-68) von ihm. Damit ist Christian einer der herausragenden süddeutschen
Rokokbildhauer.
Der Altarentwurf für den Chor in Bad Buchau stammt von d'Ixnard, doch hat Christian
der Kreuzigungsgruppe des Entwurfs rechts noch die Figur des Longinus mit der Lanze beigegeben
, der sich dem Betrachter zuwendet und für einen symmetrischen Ausgleich zu Maria
und Johannes auf der linken Seite sorgt. Was die Gestaltung der Figuren angeht, kann man
aus den Zeichnungen d'Ixnards schließen, daß diese zwar ungefähr die Haltung und Standpunkte
der Figuren vorgeben, Christian in der Ausführung der einzelnen Skulptur jedoch
selbständig war.
Auch die Entwürfe für die Seitenaltäre stammen von d'Ixnard, der keine richtigen Altaraufbauten
mehr vorsieht, sondern die Figuren vor der Wand beziehungsweise in einer flachen
Nische stehen läßt. Die Nischen sind kassettiert; die Figuren stehen auf rotgrau marmorierten
Sockeln, die als Stümpfe kannelierter Säulen ausgebildet sind.
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