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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0198
Neues Schrifttum

Gabriele Heidenreich: Schloß Meßkirch. Repräsentation adeligen Herrschaftsbewußtseins
im 16. Jahrhundert. Tübingen: bibliotheca academica Verlag 1998. 188 S., 124 Abb. (Oberschwaben
- Geschichte und Kultur 3).

Schloß Meßkirch gilt als eines der bedeutendsten deutschen Renaissanceschlösser, wurde
doch mit diesem 1557 begonnenen Bauwerk zum ersten Mal eine regelmäßige Vierturmanlage
mit nach außen tretenden Ecktürmen in Süddeutschland verwirklicht. Um so erstaunlicher
ist es, daß dieser Bau bisher keine eingehendere Würdigung in der Kunst- und Architekturgeschichte
gefunden hat, sieht man von der bauhistorischen Dissertation von Bernhard
Binder aus dem Jahr 1952 ab. Die Kunsthistorikerin Gabriele Heidenreich schließt nun diese
Lücke mit einem bemerkenswerten methodischen Ansatz. Denn sie bettet das Meßkircher
Schloß nicht nur in die kunstgeschichtlichen Zusammenhänge ein, sondern fragt auch, welche
Aussagen der Bauherr Graf Froben Christoph von Zimmern über sein adliges Selbstverständnis
und seine Herrschaftsauffassung mit diesem Bau seinen Zeitgenossen vermitteln
wollte.

Zu Beginn der Heidenreich sehen Arbeit stehen Ausführungen zu Topographie und Baugeschichte
sowie eine eingehende Analyse der Architektur. Wichtig ist dabei insbesondere
die Erkenntnis, daß der Grundriß nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten organisiert ist
und sich auf ein Grundmaß, ein sogenanntes Modul, zurückführen läßt, nämlich das Turmquadrat
. Der Modulgebrauch beweise, daß sich Architekt und Auftraggeber mit den italienischen
Architekturtheoretikern auseinandergesetzt hatten. Bei der Herleitung des Vierturmgrundrisses
zeigt die Verfasserin Bezüge zum kaiserlichen Hof auf (Wiener Hofburg, Alcäzar
von Toledo) und betont die Vorbildhaftigkeit der Kastelle oberitalienischer Potentaten, insbesondere
des Palazzo Ducale in Pavia. Die Vierturmanlage - der »Kastelltypus« - sei somit
zum einen Zeichen kaiserlich-fürstlicher Repräsentation und zum anderen - so italienische
Humanisten - die typische Tyrannenburg. Selbstverständlich kommt Heidenreich nicht umhin
, bei den Vorbildern auch nach der Rolle des italienischen Architekten Sebastiano Serlio
und der Bedeutung des französischen Schlosses Ancy-le-Franc zu fragen, das nach der bisherigen
Forschungsmeinung direktes Vorbild für Meßkirch gewesen sei. Aufgrund einer
ausführlichen Analyse der Architektur von Ancy korrigiert und relativiert sie diese Ansicht:
Ancy-le-Franc sei nur eine Rezeptionsquelle für Meßkirch neben weiteren Vierturmvariationen
Serlios, unter denen sie Rosmarino besonders hervorhebt.

Im abschließenden Kapitel unternimmt es die Verfasserin, das Meßkircher Schloß im historischen
Kontext zu deuten. Dabei kommt ihr zustatten, daß der Bauherr Graf Froben
Christoph von Zimmern auch Verfasser der Zimmerischen Chronik ist, die - wie andere
Adelschroniken - als Selbstdarstellung der Familie »den Status des Hauses zum Ausdruck
bringen« sollte {Rudolf Seigel). Sie betont besonders, daß die Zimmern erst 1538 in den Grafenstand
erhoben wurden und sie damit als »Neugrafen«, wie Karl Siegfried Bader es einmal
treffend formuliert hat, »geplagt [waren] von dem Gefühl, von den Standesgenossen,
nicht für ganz voll genommen zu werden.« Ferner verweist sie auf die Loyalität der Zimmern
zum Kaiserhaus. Heidenreich faßt zusammen: »Die Adressaten für Frobens Residenzbau
waren zum einen die Bürger, denen der Bauherr mächtig und stark gegenübertreten wollte«
(Froben ließ 1554 die Meßkircher Bürger nicht wie bisher in der Stadt, sondern im Hof des
Vorgängerbaus des Meßkircher Schlosses huldigen), »zum anderen der nachbarschaftliche
Adel, dem Froben das Wiedererstarken des Hauses Zimmern und die politische Richtung
seines Hauses mitteilen wollte.« Sowohl Schloßbau als auch die Chronik seien Ausdruck der
Bemühungen des Grafen Froben um eine »Vermehrung des Ansehens seiner Familie«
(S. 143). An dieser letzten Interpretation muß allerdings Kritik ansetzen. Denn das Selbstverständnis
der Zimmern hatte einen großen Auftrieb erhalten, als es den beiden Onkeln Frobens
zu Beginn des 16. Jahrhunderts gelang, in Fürstenfamilien einzuheiraten. Auf die vornehmen
Heiraten nimmt im übrigen auch die Grafenerhebung von 1538 Bezug. Das Ansehen

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