http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1999/0216
Neues Schrifttum
gen, aber das neue Buch bleibt dabei nicht stehen, es erleichtert den Zugang zur Beuroner
Kunst und kann insbesondere auch den Besuchern des Klosters Vorbereitung und Erinnerung
bieten.
Krins schildert zunächst den künstlerischen Nährboden der Zeit, Nazarenertum und
Neugotik, und dann die Anfänge der beiden Hauptmeister der neuen »Beuroner Schule«:
Peter Lenz aus Haigerloch, der später den Klosternamen Desiderius annahm, und Jakob
Wüger aus Steckborn. Siebenmorgen hat nachgewiesen, daß der junge Peter Lenz in der väterlichen
Altarwerkstatt mitgearbeitet hat, und daß davon mindestens eine Arbeit, der
Hochaltar in Heiligenzimmern, noch erhalten ist.
Der Schweizer Jakob Wüger studierte Malerei in München, und für den Freund schwäbischer
Malerei ist es reizvoll, mit Wügers Entwurf zu »Hagar und Ismael« aus dem Jahre
1858 hier der Auseinandersetzung mit der gleichen Wettbewerbsaufgabe zu begegnen, mit
der sich damals auch der junge Theodor Schüz herumgeschlagen hat.
Später rang Lenz um eine Kirchenkunst, die revolutionär neu und ihm doch, wie er
schön formulierte, »aus den Werken der Alten durch intensives Studium ausgegoren«
(S. 38 f.) schien.
Die Kunstrevolutionäre Desiderius Lenz und Genossen hatten kein Organ für das Rokoko
, das sie in Beuron umgab, sahen hier nichts als »geistige Besoffenheit« (S. 109, Anm.
32), wurden in ihrer Radikalität zu Bilderstürmern und zerstörten in Beuron das vielleicht
vollkommenste Altarwerk des Joseph Anton Feuchtmayer, während sich die eigenen Bauträume
eigentlich nur in der kleinen Maurus-Kapelle verwirklichen ließen. Und auch viele
ihrer eigenen Ausmalungen sind später zerstört oder übertüncht worden.
Die erstaunliche Entwicklung des Bildhauers Lenz zum forschenden Maler und zum
Zeichner utopischer Kirchenräume läßt sich am besten an den Entwürfen nacherleben. Es
ist erfreulich, daß das neue Buch diese Zeichnungen abbildet, und bei dem Gewicht, das
Lenz farbtheoretischen Überlegungen und Versuchen einräumte vor allem auch, daß das
mit Farbabbildungen geschieht. Für diese würde man sich größere Formate wünschen, als
es diese Veröffentlichung bieten kann. Am schönsten wäre natürlich, wenn ein Ausstellungsraum
in Beuron die Begegnung mit den Originalen ermöglichen würde. Denn hier erlebt
man Werke von hoher Qualität, die ihrer Zeit voraus waren.
Trotz des bescheidenen Gesamtumfanges des Buches gelingt es dem Autor, in Wort und
Illustration die Geschichte wichtiger Bildideen, wie etwa die der Pietä, nachvollziehbar
darzustellen.
Eingehend wird auch der Form- und Farbkanon behandelt, den Desiderius Lenz entwickelte
, und was daraus angewandt oder von den Kollegen, oft auf Grund von Einsprüchen
der Oberen, abgewandelt wurde. Die umfangreichen Auslandsaufträge in Prag und
Monte Cassino werden dargestellt, das ikonographische Programm der späten Beuroner
Gnadenkapelle wird aufgeschlüsselt, ein eigenes Kapitel ist dem Beuroner Kunsthandwerk
gewidmet, in dem sich die kurze Geschichte der Beuroner Kunst fast bis in die Gegenwart
verlängerte.
Verläßlich wie die ganze Arbeit sind auch die Zeittafel, der Anmerkungsteil und die Bibliographie
, die der Autor dem Buch beigegeben hat.
Dem hohen Anspruch des Untertitels des Buches »Wie ein Lichtblick vom Himmel«
kann die Beuroner Schule vielleicht nicht in aller Augen gerecht werden, aber sicher ist es
lohnend, mit dem Autor - und auch mit dem Photographen - ihren Weg zu verfolgen.
Haigerloch Hans Albrecht Oehler
202
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