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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2000/0170
Jürgen Treffeisen

Kurs mit dem Ziel durch, die Turner für die Nationalsozialisten bündnisfähig zu
machen. Es wurden die sich schon seit 1932 abzeichnenden Tendenzen festgeschrieben9
: Wehrhaftigkeit als Ziel turnerischer Arbeit, Einführung des Wehrturnens,
Umstellung auf den Grundsatz des Führerprinzips, Ausschluss marxistischer und
jüdischer Mitglieder. In seiner Osterbotschaft wies Neuendorff am 18. April 1933
die Turnkreise an, die neuen Richtlinien schleunigst in die Tat umzusetzen10.

Der Vorsitzende des Turnerbundes Sigmaringen initiierte in Anlehnung an die
Stuttgarter Direktiven die freiwillige Selbstgleichschaltung in Sigmaringen. In einer
Vorstandssitzung am 29. April 1933 - detailliert im Protokollband festgehalten - erläuterte
er: Unsere Pflicht ist es, dafür zu sorgen, dass unser Turnbetrieb stramm einsetzt
. Es muss innerhalb der Vorstandschaft zugegeben werden, dass unser bisheriger
Turnbetrieb zu locker gehandhabt wurde. Wir verkennen nicht, dass dies falsch war.
Es liegt bei der Neugestaltung eines strammen Turnbetriebs im Interesse des Erfolgs,
von häufigen großen Versammlungen ... abzusehen, vielmehr soll in dem engeren
Rahmen des Turnvaters die notwendige Aufbauarbeit geleistet werden. ... Wir haben
uns restlos der nationalen Bewegung zur Verfügung gestellt. Wir in Hohenzol-
lern werden zunächst mit der SA und der NSDAP zusammenwirken. Die fast ein
Jahrhundert alten demokratischen Traditionen, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte
durch eine zunehmende Militarisierung schon sichtbar ausgehöhlt worden
waren, wurden nun endgültig über Bord geworfen. Das ,Führerprinzip, sollte auch
bei den Turnern gelten. Man kann von einem vorauseilenden Gehorsam der Sigmaringer
Turner sprechen, die sich hierbei im von der Deutschen Turnerschaft vorgegebenen
Rahmen bewegten. Dies war im Sinne Neuendorffs, der einen Schulter-
schluss der Deutschen Turnerschaft mit SA und Stahlhelm gefordert hatte11. Noch
immer haftete nämlich der Turn- und Sportbewegung der Ruf an, mit Relikten des
Liberalismus und Individualismus belastet zu sein. Daher propagierten die politisch
angepassten Wortführer des Sports die Gesundung der Turn- und Sportbewegung
und die Assimilierung des „SA-Geistes"12.

Fast schon grotesk erscheint es, wenn der Sigmaringer Vorsitzende die derzeitige
Situation im Nationalsozialismus mit den Anfängen der Sigmaringer Turner in der
demokratischen Bewegung der 1848er Revolution vergleicht. Laut dem Protokoll
vom 29. April wies er darauf hin, daß wir innerhalb der Deutschen Turnerschaft in
einer entscheidungsvollen Zeit, ähnlich der von 1848 stehen.

9 Bernett: Schulter an Schulter (wie Anm. 3) S. 66.

10 Zitiert nach Peiffer: Turnerschaft (wie Anm. 3) S. 144. Zum weiteren Vorgehen des
Reichssportführers gegen Marxisten siehe Bernett: Weg des Sports (wie Anm. 3) S. 8-10.

11 Bernett, Schulter an Schulter (wie Anm. 3) S. 67: Am 16. Mai hatte Neuendorff an Hitler
ein Schreiben mit dem Anerbieten gesandt, daß die Deutsche Turnerschaft sich unter Ihrer
Führung Seite an Seite neben SA und Stahlbelm stellt, und daß sie unter Ihrer Führung Schulter
an Schulter mit SA und Stahlhelm den Vormarsch ins Dritte Reich antritt.

12 Bernett, Schulter an Schulter (wie Anm. 3) S. 70. Nach der Röhn-Affäre war die SA als
politischer Kampfverband der NSDAP zerschlagen. Das Kalkül der Turner war nicht aufgegangen
. Zumal die SA eigene Interessen verfolgt hatte. Man bediente sich gern kostenlos der
Anlagen der Deutschen Turnerschaft, um Leibesübungen wieder interessant zu machen. Der
sogenannte SA-Sport im Gelände hatte nämlich deutlich an Attraktivität verloren.

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