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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0386
Der Fürst und „seine" Hexe

tiven und richterlichen Anordnungen nur willig der Stimme des Volkes gefolgt sein58,
so dürfte sich diese Haltung spätestens mit dem Fall der 75 Jahre alten Witwe Anna
Kadis gründlich geändert haben, denn hier hatte sich nach Überzeugung des Fürsten
die gefürchtete dämonische Macht der Hexen einen Zugang zu den Privaträumen der
herrschaftlichen Residenz Schloss Friedrichsburg verschafft!

Anna Kadis, in erster Ehe liiert mit dem Hofmusiker, Schultheiß und Burgvogt
Oswald Ambrun, hatte nach dessen Ableben um das Jahr 1621 den damaligen gräflichen
Untervogt Daniel Sartorius geheiratet. Den größten Teil ihres Lebens war Anna
als Kindsfrau in Diensten des Fürsten Johann Georg sowie dessen Nachfolgers Eitel
Friedrich II. gewesen. Sie hatte der Gemahlin Georgs „in allen Geburten und Kindsnöten
, auch in der Sterbestunde getreulich aufgewartet" und „gleichsam - wie es an
einer Stelle heißt - die Kinder des Fürsten Johann Georg aufgezogen". Nach dem Tod
ihres zweiten Mannes, den man Anna Kadis später auch zur Last legen sollte, kam sie
alsbald „ins Geschrei", und die Dinge nahmen ihren schicksalhaften Lauf. Die
Verdächtige wurde allerdings nicht, wie üblich, vom zuständigen Oberamtmann verhört
, sondern Fürst Eitel Friedrich persönlich zog das Verfahren an sich. Er führte
das Verhör und zeichnete die Protokolle ab. Was den Fürsten vor allem interessierte:
Welche Rolle hatte die Untervögtin bei der Erkrankung und Wiedergenesung seiner
Tante Maximiiiana vor vielen Jahren gespielt? Letztere hatte sich damals in den Pater
Guardian von St. Luzen verliebt und war nach dessen Weggang aus Hechingen von
„schwerer Krankheit und großer Melancholie" heimgesucht worden, wollte weder
beichten noch in die Kirche gehen. Anna Kadis, die in einem besonderen Vertrauensverhältnis
zu ihr gestanden war, hatte durch guten Rat und Zuspruch viel zur
Genesung des Fräulein Maximiiiana beigetragen, sich damit aber auch den Zorn eines
behandelnden Arztes zugezogen. Dessen verhängnisvoller Ausspruch, wer es [die
Erkrankung] dem Fräulein getan, der habe ihm auch geholfen, hatte dazu geführt,
dass Anna Kadis bald in die Fänge der Inquisition geriet. Unter den vielen, die dies
Orts der Hexerei bezichtigt würden, so Eitel Friedrich in seiner Befragung, sei die
Untervögtin vornehmlich in Verdacht, gar eine Obristin oder Teufelsführerin zu
sein59.

Fasst man die rund 120 dokumentierten Fragen zusammen, die Eitel Friedrich teils
in Güte, mehrmals aber auch unter der Schärfe der Folter der Verdächtigen stellte,
und ergänzt sie durch die ebenfalls aufgezeichneten Zeugenaussagen, so ergibt sich
nicht nur ein erschütterndes Bild vom Schicksal einer 75-jährigen Witwe, die trotz
jahrzehntelanger treuer Dienste für das Fürstenhaus am Ende ihres Lebens den grausamen
und schmachvollen Tod als Hexe sterben musste. In ersten Umrissen entsteht
auch das Psychogramm eines Fürsten, der sich nicht nur auf dem Schlachtfeld als
kaisertreuer Bewahrer des katholischen Glaubens bewährte, sondern zu Hause in

58 Die „Peinliche Gerichtsordnung" Kaiser Karls V schrieb vor: „Wenn in einer Stadt oder in
einem Dorf das gemeine Gerücht herumgeht, dieses oder jenes Weib sei eine Hexe, so muss die
Obrigkeit nachforschen, von wem das Gerücht ausgehe, ob es von wahrheitsliebenden, ehrlichen
Leuten ausgehe." Zitiert nach Hebeisen (wie Anm. 7).

59 Zitiert nach Hebeisen, ebd.

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