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Paul Münch
Brandenburg die Erbfolge antreten.Trotz dieser dynastischen Bindungen konnte
nach dem Urteil Fritz Kallenbergs noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, das den
Ubergang der Fürstentümer an Preußen bringen sollte, von einem engen, lebendigen
Verwandtschaftsbewußtsein der schwäbischen Hohenzollern gegenüber dem preußischen
Herrscherhaus [...] ebensowenig die Rede sein wie von wirklicher Sympathie
für den wesensfremden protestantischen Königsstaat5. Die beiden Fürstentümer
Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen überlebten die napoleonische
Neuordnung Deutschlands unbeschadet und stiegen zu souveränen Mitgliedern
des Rheinbundes auf. Erst 1850 mündeten die seit 1214 getrennten Historien der
beiden Häuser Brandenburg und Hohenzollern in eine gemeinsame Geschichte, nicht
weil die süddeutschen Linien ausgestorben wären, sondern weil die zollerischen
Fürsten als Folge der 48er Ereignisse auf ihre Souveränität verzichteten und ihre
Länder an Preußen abtraten. Seit 1852 bildeten die Hohenzollernschen Lande verwaltungstechnisch
den preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen.
Bereits vor diesen Ereignissen war das Stammschloß der Hohenzollern, das zu
Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend zerfallen war, wieder ins Blickfeld der
preußischen Könige gerückt. Der spätere König Friedrich Wilhelm IY sah 1819 als
Kronprinz auf einer Pilgerfahrt in das Land seiner Väter, das ehrwürdige Stammhaus
in so trostlosem Zustande, daß er Anstalten traf, um dem weiteren Umsichgreifen des
Ruin's vorzubeugen6. Doch es war nicht bloß die viel beschworene romantische Ader
Friedrich Wilhelms IV, die den Wiedererbauungsgedanken reifen ließ, man erkannte
preußischerseits auch schon, daß die Hohenzollernburg oder das, was von ihr übrig
geblieben war, recht eigentlich den idealen Verbindungspunkt zwischen dem Norden
und dem Süden unseres deutschen Vaterlandes7 bildete. Es formte sich die Idee, den
verfallenen Stammsitz der Hohenzollern wiederzuerrichten und zwar, wie Paul
Theodor Märcker bereits im Jahre 1846 vermerkte, „in edlem mittelalterlichen Style
, nicht als Zwingburg, noch zu Schutz und Trutz gegen Feinde, auch nicht als
prunkvolle Residenz, sondern als Schatzkammer für die Alterthümer, Kleinodien und
Erinnerungen der Vorzeit des erlauchten Geschlechtes, als ein e w i g e s Denkmal
der Wiedervereinigung der solange getrennten Schwäbisch, Fränkisch
, Märkischen Zweige des Gräflich, Fürstlich, Königlichen Stammes der Hohenzollern
"8. Dies war nicht weniger als ein weit in die Zukunft gerichtetes politisches
Programm. Das zunächst beabsichtigte Denkmal der Wiedervereinigung der verschiedenen
hohenzollerischen Linien konnte, wie die Neubaupläne andeuten, auch
als architektonisches Pilotprojekt einer umfassenderen, auf die Vereinigung aller
Deutschen zielenden Politik gelesen werden. Die zwischen 1850 und 1867 wiedererrichtete
Burg war mit ihren Zinnen, zahlreichen Erkern und Turmspitzen keineswegs,
wie man im Meyerschen Lexikon zu Ende des 19. Jahrhundertes lesen konnte, eine im
5 Fritz Kallenberg, "Vom Fels zum Meer" (wie Anm. 4), S. 207.
6 Paul Theodor Marck [eigentlich Märcker]: Das Stammschloß Hohenzollern, seine Gegenwart
und Vergangenheit. Hechingen 1846, S. 53.
7 Ebd., S. 3.
8 Ebd., S. 54 f.
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