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Rolf Vogt
Bereich zuständig war40, schloss Präsident Viktor Nädele im Frühjahr 1940 mit dem
Appell an alle, an große und kleine Betriebe, an Betriebsführer und Gefolgschaften,
alle Kräfte einzusetzen, alle Reserven persönlicher, sachlicher, geistiger und materieller
Art in sich selbst und in den Betrieben mobil zu machen und so mit ihrem letzten
Einsatz bewußt als tapfere Soldaten der inneren Front teilzunehmen an dem siegreichen
Daseinskampf des deutschen Volkes*1.
Allgemein wurde Textilunternehmern öffentlich eine sinnvolle Rationalisierung
und die Ausbildung von Facharbeitern empfohlen42. Die Aufgabe war schwierig
genug. Mit der Einführung des betrieblichen Vorschlagswesens sollten die Arbeiter
selbst in diesen Prozess eingespannt werden. Augen auf und nachdenken, hieß es. Im
NSDAP-Kreis Balingen/Hechingen wurde das System des betrieblichen Vorschlagswesens
im Herbst 1943 in 24 Betrieben praktiziert. Im ersten Halbjahr 1943 waren
dabei 161 Verbesserungsvorschläge eingegangen, deren Umsetzung 59.550 Arbeitsstunden
einsparte und in der Produktion den Materialverbrauch senkte. Jedenfalls
rechnete das die Deutsche Arbeitsfront mit Genugtuung vor. Während ihrer Arbeitsbesprechungen
im Rahmen der Werbung für das betriebliche Vorschlagswesen
wurden in Balingen, Ebingen, Tailfingen, Hechingen, Winterlingen und Burladingen
insgesamt mehr als 200 Betriebsführer und betriebliche Unterführer instruiert43.
Ihre Bemühungen zur Qualifizierung der Mitarbeiter hielt die DAF nicht bis zum
Kriegsende durch. Der Reichsberufswettkampf, den die Arbeitsfront zusammen mit
der Hitlerjugend alljährlich im Winter für Lehrlinge und Gesellen organisierte, wurde
im Herbst 1944 abgesagt. Er fiel dem Kriegseinsatz der HJ zum Opfer. V/eltanschauliche
Ausrichtung und Wehrertüchtigung wurden jetzt wichtiger als die Fortbildung44.
Die Arbeitsämter erhielten erst nach und nach Instrumente, die eine effektivere
Verwendung der Arbeitskräfte gewährleisten sollten. 1940 wurde der Zugriff auf
Arbeitskräfte möglich, die in ihren Betrieben wegen Saison- oder produktionsbedingter
Kurzarbeit vorübergehend nicht beschäftigt waren45. Von 1941 an ermöglichte
auch die Einführung der Meldepflicht bei Kündigungen und die Zustimmungspflicht
der Arbeitsämter bei Neueinstellungen eine straffere Lenkung des
Arbeitseinsatzes^. Arbeitsrechtliche Mittel standen zur Verfügung, um die Arbeits-
40 Die IHK-Landesstelle Hechingen bildete ab April 1935 eine Arbeitsgemeinschaft mit der
IHK Reutlingen. Die Hechinger Geschäftsstelle wurde Ende März 1943 aufgelöst, s. Hz. Bl.
Nr. 77/01.04.1935, 67/20.03.1943. Zur IHK und der Landesstelle Hechingen vgl. Harald
Winkel: Geschichte der württembergischen Industrie- und Handelskammern Heilbronn,
Reutlingen, Stuttgart/Mittlerer Neckar und Ulm 1933-1980. Zum 125jährigen Bestehen.
Stuttgart 1981.
41 Hz. Bl. Nr. 134/10.06.1940.
42 Ebd. Nr. 156/07.07.1941.
43 Ebd. Nr. 255/30.10.1943.
44 Ebd. Nr. 251/25.10.1944.
45 Ebd. Nr. 92/19.04.1940.
46 Ebd. Nr. 67/20.03.1941. Bei Arbeitern, die ihre Stelle wechseln wollten, prüfte das Arbeitsamt
seitdem automatisch die Möglichkeit einer Beschäftigung in der unmittelbare[n] Wehrmachtsfertigung
und die Umschulung zum Metallarbeiter. Ausgenommen von dieser Regelung
waren nur einzelne Berufsgruppen.
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