Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0682
Zwangsarbeit und Ausländerbeschäftigung während des Zweiten Weltkriegs in Hechingen

Arbeitsverweigerung, Sabotage kamen nur selten vor. Die Hohenzollerischen Blätter
stellten fest, dass es zwar Zwischenfälle gegeben habe, aber niemals dort, wo eine
pflichtbewußte Führung vorhanden war. Manchmal habe sich geradezu ein Treueverhältnis
zwischen Zivilarbeitern und ihren Arbeitgebern gebildet: Dankbar erkennen
diese Menschen an, daß der Deutsche sein Brot mit ihnen teilt540.

Als die Hechinger Öffentlichkeit ein Jahr nach dem militärischen Zusammenbruch
begann, auf ihrer Weste nach weißen Flecken zu suchen, hielt sie sich gleich zugute,
gegenüber den Kriegsgefangenen fair geblieben zu sein. Hier ist der Ehrenschild der
Stadt blank geblieben, hob das Schwäbische Tagblatt in seinem Hechinger Teil
hervor541. Die Zeitung beschwor ähnlich wie das NS-Blatt ein Jahr früher mit Genugtuung
[...] ihre humane Behandlung. Die Rechtfertigung war wichtig, denn nur
wenige Monate vorher hatten ausgewählte, aber große Teile der Bevölkerung auf
organisierten Defilees vor den Massengräbern des Konzentrationslagers Bisingen
gesehen, was auch bei ihnen möglich gewesen war. Ganz unberechtigt scheint das
Urteil aber auch nicht zu sein. Das Marinebekleidungsamt in Kiel legte offenbar
niedrigere Maßstäbe an als das Bürgermeisteramt in Hechingen und konnte nicht
verstehen, dass im Altersheim Insassen, deutsches Personal und gefangene Arbeiter
das gleiche Essen erhielten. Auch die Klagen über die Bewachung der Kriegsgefangenen
sind ein Hinweis, dass bei den strengen Vorschriften immer wieder ein Auge
zugedrückt wurde.

Die Beobachtung dürfte gleichwohl banal sein. Gefangene und Zivilarbeiter, die in
der Stadt waren, sollten arbeiten ebenso wie die deutschen Arbeitskraftreserven, die
der NS-Apparat zu mobilisieren versuchte. Die hohen Sterberaten verzeichnen die
Stammlager und Straflager, Arbeitserziehungslager und Konzentrationslager, in
denen Leben problemlos verfügbar war. Wer dorthin kam, war in akuter Gefahr. Die
Uberlebenschancen zu erhöhen, hieß für Kriegsgefangene und Zivilarbeiter, die Versetzung
in eins der großen Lager zu vermeiden. Gefangene oder Zivilarbeiter, für die
der Arbeitgeber eine Umsetzung beim Arbeitsamt beantragte, sahen sich wohl einem
ungewissen Schicksal gegenüber. Auch Ausländer, die auf der Flucht gefasst wurden,
verschwinden aus den Akten der zivilen Behörden in eine gefährdete Zukunft. Der
größte Teil der Ausländer fügte sich aber in die Gegebenheiten. Von den 51 Kriegsgefangenen
, die am 22. April 1945 im Lager Tübinger Straße befreit wurden, lebte ein
großer Teil schon seit 1941 in Hechingen. Sie gehörten vielleicht zu denen, die die
Arbeit auf einem Bauernhof den Verhältnissen in einem Stammlager vorzogen.

Ausländer hatten am Kriegsende einen Anteil von etwa 3,5 Prozent der Hechinger
Bevölkerung. Sie lebten in ihren Lagern und ihren Gruppen, aber sie lebten - so weit
sie auch ausgegrenzt wurden - mit den Hechingern. Ihr soziales Verhalten war nicht
auffällig. Als am L März 1944 im Maschinenraum der Holzwollefabrik Kässer Feuer
ausbrach, waren mit der Betriebsfeuerwehr umgehend einige Ostarbeiter zur Stelle, um
den Brand zu löschen. Und kriegsgefangene Franzosen, die im Juli 1941 in der Nähe
des Fasanengartens einen hilflos auf der Straße liegenden alten Mann entdeckten, alar-

540 Ebd. Nr. 84/11.04.1945.

541 ST Nr. 15/22.02.1946.

667


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2002-03/0682