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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0072
Jürgen Treffeisen

Turner durch den Volksfreundes interpretiert der Erzähler kontrovers. Er hebt nämlich
besonders die Präsenz der unteren Schichten bei der Fahnenweihe positiv hervor
und lobte die Veranstaltung als ein Tag des Volkes. Der Erzähler legt weiter großen
Wert auf die Feststellung, dass sich diese Menschenmassen vorbildlich und wohl
geordnet verhielten, insbesondere seien die Reden gut verstanden worden26. Die Veranstaltung
verlief offensichtlich, und auch im Volksfreund wird nichts Gegenteiliges
berichtet, ohne Zwischenfälle. Gerade dies sei, so der Erzähler, typisch für derartige
Volksfeste. So oft das Volk Feste feiert und Versammlungen hält, bewahrt es einen
Sinn für Ordnung und Gesetzlichkeit, den selbst die entschiedensten Reaktionäre
und Volksfeinde anerkennen müssen, und der die Grundlosigkeit der den demokratischen
Bestrebungen herkömmlich entgegengesetzten Einrede der Unreife des
Volkes am Schlagendsten beweist. Der geordnete und friedliche Verlauf des Sigmaringer
Turnfestes wird also vom Erzähler als Beleg dafür angeführt, dass dem Volk,
also auch den unteren Schichten der Gesellschaft, demokratische Verantwortung
übertragen werden kann. In diesem Sinne ist auch der Schlusssatz im Bericht zur
Sigmaringer Fahnenweihe im Erzähler zu verstehen: Das lässt sich nun einmal nicht
mehr bestreiten, dass das Volk weis, was es will, und dass es dazu reif ist, es will die
Republik und es kann sie ertragen.

Zum Abschluss der morgendlichen Veranstaltung ergriff nochmals Sprecher Rhein
in einer längeren, sehr dezidierten und auch beifällig aufgenommenen Rede das Wort
- so nach dem Bericht des Erzählers. Doch auch dies sah der Volksfreund anders.
Offensichtlich war diese Ansprache, und dies berichtete der Erzähler nicht, zumindest
rhetorisch mangelhaft, so dass sich Rhein, nach einem entsprechenden Bericht
im Volksfreund, zu einer Gegendarstellung im Erzähler vom 22. September genötigt
sah27: Es hätten einige beim Turnfest Anwesende gefragt, warum der Sprecher mitten
in seiner Rede stecken geblieben sei. Man wolle daher den zweiten, ausgelassenen Teil
der Rede noch hören. Nach Meinung Rheins steckten konstitutionell gesinnte Kräfte
hinter diesen Beschuldigungen. Und für diese, so betonte er, habe er nicht gesprochen
. Sie hätten fuglich zu Haus bleiben können, und war der erste Teil meiner Rede
nicht für sie, so brauchen sie auch den zweiten nicht zu wissen. Man hatte sich über
Rhein wegen seines geringen rhetorischen Talents lustig gemacht und dies polemisch
als Wiederspruch zur damals üblichen Bezeichnung des Vorsitzenden als „Sprecher"
gebracht. Hiergegen verwahrte sich Rhein und hob hervor, dass nicht jeder Sprecher
auch ein Rednertalent ist. Auch sei er nicht Mitten in der Rede stecken geblieben sondern
nur im letzten Satz seiner Begrüßungsrede. Weiter führte Rhein aus: Ich könnte
den Herrn nun sagen, bei diesen Worten habe ich unwillkürlich an die bis dahin noch
zu überwindenden Schwierigkeiten gedacht, es sei mir eingefallen, wie viele Vergebensfresser
, die man eben jetzt bezahlt, weil man sie doch verhalten muss, dadurch
brodlos werden, ich habe vielleicht dabei selbst an Einen oder den Andern der einigen

26 Dort waren mindestens 2000 Menschen versammelt, welche ohne alle polizeiliche oder
andere besondere Aufsicht dem Feste in größter Ordnung und mit solcher Ruhe anwohnten,
daß kein einziges Wort der Redner verloren gieng.

27 Der Erzähler Nr. 76, 22. September 1848, S. 238. Der Text ist im Anhang abgedruckt.

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