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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0101
Frauenarbeit in der Industrialisierungsphase

am Tag nicht bewältigt werden. In den offiziellen Statistiken und gegenüber den Verlegern
traten zwar die Männer als Trikotwirker auf, ohne die Arbeitskraft ihrer Ehefrauen
wäre die Etablierung des Gewerbes jedoch nicht möglich gewesen. Die Frauen
arbeiteten jedoch nicht nur am Rundstuhl mit, sie waren meist auch für die Weiterverarbeitung
des Gewebes zuständig, für das Repassieren, Walken, Waschen,
Trocknen, Rauen und Nähen. Die Arbeitsbedingungen waren in der Hausindustrie
denkbar schlecht. Das Wasser zum Waschen der Ware musste, da es noch keine Wasserleitung
gab, mit Eimern vom Brunnen geholt werden, und beim Waschen der Trikotagen
standen die Frauen im Winter oft bis zu den Knien im mit Eis bedeckten
Wasser. Das Trocknen der Stoffe war schwierig, denn man hatte noch keine Trockenräume
.

Das Ansetzen der Knöpfe besorgten oft die Kinder der Wirkerfamilie, die größeren
Mädchen ab 10 Jahren „knöpflochten", d. h. sie schlugen mit Stemmeisen einen
Schlitz in den Stoff und nähten ihn aus32. Die älteren Töchter und die Frauen nähten
die gewirkte und zugeschnittene Ware zusammen. Zunächst nähten sie von Hand,
doch um 1870 hielt die Nähmaschine auch in Tailfinger Haushalten Einzug. 1880
nähten bereits zwischen 150 und 160 Tailfingerinnen mit Hilfe einer Maschine33.
Ausschlaggebend für den Siegeszug der Nähmaschine war die zunächst von Isaac
Merrit Singer seit 1850 eingeführte Serienproduktion sowie insbesondere das Ratenkaufsystem34
. Die ersten Maschinen waren handgetrieben, später hatten sie Fußantrieb
. Da es noch kein Gas und keine Elektrizität gab, mussten die Näherinnen beim
spärlichen Licht der Petroleumlampen arbeiten35. Neben der Arbeit in der vom Mann
betriebenen Wirkerei hatten die Frauen Arbeiten im Haushalt, bei der Erziehung der
Kinder und der nun zum Nebenerwerb gewordenen Landwirtschaft zu verrichten.

Die im Hausgewerbe gefertigten Produkte mussten entweder an einen Verleger
geliefert oder im Hausierhandel direkt abgesetzt werden. Dies war wiederum eine
Tätigkeit, die zum Teil auch von den Ehefrauen der Wirker ausgeführt wurde. Von
Salome Blickle, der ersten Tailfinger Unternehmerin, von der später noch die Rede
sein wird, wissen wir beispielsweise, dass sie die gemeinsam mit dem Ehemann gefertigte
Ware zu Fuß nach Hechingen brachte36.

32 Für viele Familien war die Erwerbsarbeit der Kinder zur Existenzsicherung erforderlich.
Eine 1904 angestellte Erhebung über die Lohnbeschäftigung von Kindern im Haushalt sowie
in der Landwirtschaft kam für den Schwarzwaldkreis zu dem Ergebnis, dass fast 11% aller
Schulkinder gegen Lohn im häuslichen Dienst arbeiteten, über 26% in der Landwirtschaft. StA
Sigmaringen Wü 65/4, 1170, Ergebnis der Erhebung vom 15. November 1904.

33 Beschreibung des Oberamts Balingen (wie Anm. 11), S. 491.

34 Karin Hausen: Technischer Fortschritt und Frauenarbeit im 19. Jahrhundert. Zur Sozialgeschichte
der Nähmaschine. In: Geschichte und Gesellschaft, 1978, S. 148-169.

35 Aufstieg der Wirkerstadt Tailfingen, S. 50ff.

36 Mündliche Auskunft Christa Bitzer, 20. November 2002.

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